1. Voraussetzungen.

 

Rn 4

Abs 1 S 1 bezweckt den Schutz der Kinder, die seit längerer Zeit in Familienpflege bei der Pflegeperson leben. Diese Formulierung findet sich auch in §§ 1630 III, 1632 IV, 1688 I BGB. Von einer ›Familienpflege‹ ist auszugehen, wenn ein Kind außerhalb seiner Herkunftsfamilie zur Pflege und Erziehung mit der Erwartung untergebracht wird, dass dieses Kind so, wie Kinder in Familien aufwachsen, erzogen und versorgt werden und in der Familienpflege seinen Lebensmittelpunkt haben soll (zB Staud/Salgo § 1632, Rz 65: hierunter fällt regelmäßig nicht die Tagespflege iSv §§ 22 ff, 43 SGB VIII). Erfasst ist jedes tatsächliche Pflegeverhältnis, unabhängig davon, ob eine Pflegeerlaubnis nach §§ 44 ff SGB VIII vorliegt (zB BGH FamRZ 01, 1449; Hambg FamRZ 15, 2188) oder ein Pflegevertrag geschlossen worden ist, also auch eine Unterbringung bei Verwandten (Hambg FamRZ 15, 2188: Großeltern). Auch Inkognitopflegeeltern können zu beteiligen sein, wenn das Kind schon längere Zeit bei ihnen lebt und dementsprechend seine Bezugswelt bei ihnen gefunden hat (Hamm FamRZ 18, 286). Falls die Adoptionspflege gem § 1744 nicht mit Adoption endet, können auch Adoptivpflegeeltern zu beteiligen sein (Staud/Salgo § 1632 Rz 65; KG FamRZ 17, 243). Zu berücksichtigen sind auch solche Pflegepersonen, bei denen das Kind aktuell nicht (mehr) lebt, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Herausnahme des Kindes aus deren Haushalt und der Einleitung des Verfahrens besteht (Frankf NZFam 21, 1073).

 

Rn 5

Ob das Pflegeverhältnis für ›längere Zeit‹ besteht, richtet sich danach, ob das Kind in der Pflegezeit seine Bezugswelt in der Pflegefamilie gefunden hat, wobei die kindlichen Zeitvorstellungen zu berücksichtigen sind (Prütting/Helms/Hammer § 161 Rz 4; MüKoFamFG/Schumann § 161 Rz 4; FAKomm-FamR/Ziegler § 161 Rz 3; Staud/Salgo § 1632 Rz 66 ff, 69; Grüneberg/Götz § 1632 Rz 13; Saarbr FamRZ 14, 598).

 

Rn 6

Gem Abs 1 S 2 können auch sonstige Bezugspersonen beteiligt werden, bei denen das Kind aufgrund einer Verbleibensanordnung nach § 1682 BGB seit längerer Zeit lebt. Solche Bezugspersonen sind der Ehegatte oder Lebenspartner eines Elternteils oder gem § 1685 I BGB umgangsberechtigte Großeltern oder volljährige Geschwister. Sie stehen den Pflegepersonen iSv S 1 verfahrensrechtlich gleich.

2. Die Entscheidung des Gerichts.

 

Rn 7

Nach dem Wortlaut des § 161 I 1 erfolgt die Hinzuziehung (nur) vAw; gleichwohl wird (wie in § 7 III ausdrücklich vorgesehen) auch ein entsprechendes Antragsrecht der Pflege- und Bezugspersonen anerkannt (Prütting/Helms/Hammer § 161 Rz 7; Haußleiter/Eickelmann § 161 Rz 11; Musielak/Borth/Frank/Frank § 161 Rz 4; Heilmann/Heilmann § 161 Rz 17; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 161 Rz 11; KG FamRZ 17, 243; Köln FamRZ 16, 1693; Hambg FamRZ 15, 2188: Ein konkludenter Antrag kann auch in einem Akteneinsichtsgesuch gesehen werden). Ein Antrag kann nur bis zum Abschluss des Verfahrens, aber auch erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (Köln FamRZ 16, 1693).

 

Rn 8

Ob die Pflege- oder Bezugsperson als Beteiligter gem § 7 III zu dem Verfahren hinzugezogen werden sollen, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen (›kann‹), wobei maßgebeblich auf das Interesse des Kindes abzustellen ist, welches das Ermessen zugleich begrenzt: Das Gericht darf von einer Beteiligung der Pflegeperson nach § 161 I 1 nicht absehen, wenn eine Hinzuziehung dem Kindeswohl dienen kann (vgl BTDrs 16/6308, 241). Gerade Pflegeeltern sind diejenigen, die das Kind am besten kennen und dementsprechend am ehesten dazu berufen, sich unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung des Kindes in das Verfahren einzubringen und dort dessen Interessen zur Geltung zu bringen. Das ist aber nur dann möglich, wenn sie über den bisherigen Verlauf des Verfahrens vollumfänglich unterrichtet sind (KG FamRZ 17, 243; ähnlich Bremen FamRZ 14, 414; Saarbr ZKJ 14, 117; ZKJ 16, 269; Prütting/Helms/Hammer § 161 Rz 6; MüKoFamFG/Schumann § 161 Rz 7; Keidel/Engelhardt § 161 Rz 3; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 161 Rz 3). Ein längeres Pflegeverhältnis begründet regelmäßig eine Vermutung für das Interesse des Kindes an der Beteiligung der Pflegeperson (Hambg FamRZ 15, 2188); etwas anderes kann gelten, wenn ein Verbleib des Kindes bei der Pflege- oder Bezugsperson von den Beteiligten nicht angedacht ist (Saarbr ZKJ 16, 296). Eine förmliche Beteiligung der Pflege- oder Bezugsperson gegen ihren Willen wird angesichts der mit der Beteiligung verbundenen Pflichten (vgl näher Prütting/Helms/Prütting § 7 Rz 2, 3) nicht in Betracht kommen (Heilmann/Heilmann § 161 Rz 16; Prütting/Helms/Prütting § 7 Rz 47; so wohl auch Saarbr ZKJ 16, 269 [OLG Saarbrücken 22.02.2016 - 6 UF 8/16]).

 

Rn 9

Das weitere Verfahren der Hinzuziehung richtet sich nach § 7 IV, V. Die Pflege- oder Bezugspersonen sind von der Einleitung des Verfahrens zu informieren und auf die Möglichkeit ihrer Beteiligung (unabhängig von der Verpflichtung zur Anhörung gem Abs 2) hinzuweisen. Den übrigen Verfahrensbeteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Die positiv...

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