Zusammenfassung

 

Art. 6 Brüssel Ia-VO(1) Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1, des Artikels 21 Absatz 2 und der Artikel 24 und 25 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht.

(2) Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann sich unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit jede Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in diesem Mitgliedstaat auf die dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften, insbesondere auf diejenigen, welche die Mitgliedstaaten der Kommission gemäß Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe a notifizieren, wie ein Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaats berufen.

A. Vorbehalt zugunsten des nationalen Rechts (Abs 1).

 

Rn 1

Soweit kein Beklagtenwohnsitz (Art 62f) in einem Mitgliedstaat besteht, greift nationales Recht ein. Die Vorschrift (bis 2015: ex-Art 4) ist bei einer Klage gegen einen Unionsbürger anwendbar, dessen Wohnsitz nicht aufzuklären ist (EuGH C-292/10). Es kann sich um autonomes nationales Recht handeln, aber auch um das EuGVÜ (bei Wohnsitz in Dänemark) oder das Lugano-Übereinkommen (bei Wohnsitz in der Schweiz, Norwegen oder Island). Damit kommen sämtliche im nationalen Recht vorgesehenen Gerichtsstände, auch soweit sie als exorbitant gelten, in Betracht (EuGH Slg 00, I-5925 Rz 51). Das gilt aber nur vorbehaltlich der in Bezug genommenen ausschließlichen Zuständigkeiten. Soweit diese eingreifen, besteht für eine Anwendung nationalen Rechts kein Raum. Das gilt bei den Schutzgerichtsständen für Verbraucher oder Arbeitnehmer selbst dann, wenn das nationale Recht günstigere Vorschriften für diese Parteien vorsieht (EuGH ECLI:EU:C:2022:807). Art 24 (rügelose Einlassung) und Art 25 (Gerichtsstandsvereinbarungen) knüpfen von vornherein nicht an den Wohnsitz einer Partei in einem Mitgliedstaat an, sodass für den Vorbehalt nach Abs 1 zugunsten des nationalen Rechts ohnehin kein sinnvoller Anwendungsbereich bestünde. S ferner Art 17–19 Rn 3 und Art 20–23 Rn 2.

B. Gleichbehandlung von Ausländern mit mitgliedstaatlichem Wohnsitz (Abs 2).

 

Rn 2

Die Gleichbehandlung mit Inländern betrifft Rechte mit einer an die inländische Klägerstaatsangehörigkeit anknüpfenden Zuständigkeitsregel (zB Art 14 franz CC). Diese kann auch von Ausländern in Anspruch genommen werden, ohne dass es auf die Staatsangehörigkeit ankommt. Der Ausländer muss seinen Wohnsitz im Forumstaat haben; ein Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat reicht nicht. Die Regelung nimmt den Staatsangehörigkeitszuständigkeiten ihren diskriminierenden Charakter nur zT: Während exorbitante Gerichtsstände aufgrund von Vermögen (§ 23 ZPO) oder die Zuständigkeit aufgrund einer Klagezustellung im Vereinigten Königreich auch EG-Ausländern offen stehen, können sie von den an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Fora nur unter der Voraussetzung eines dortigen Wohnsitzes Gebrauch machen.

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