Gesetzestext

 

(1) Auf Antrag des Schuldners wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert, wenn die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangen ist, sofern

a) die frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands ergangen ist und
b) die frühere Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen ist oder die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt und
c) die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ursprungsmitgliedstaats nicht geltend gemacht worden ist und nicht geltend gemacht werden konnte.

(2) Weder die Entscheidung noch ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel dürfen im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nachgeprüft werden.

 

Rn 1

Der freie Verkehr des einmal ausgestellten Europäischen Vollstreckungstitels verbietet eine sachliche Überprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs 2); auch eine ordre-public-Kontrolle findet nicht statt (BGH NJW 14, 2363 [BGH 24.04.2014 - VII ZB 28/13]). Der Schuldner ist auf die im Ursprungsstaat möglichen Rechtsbehelfe gegen die zugrunde liegende Entscheidung (nach dortigem Prozessrecht) sowie auf den beim Ursprungsgericht zu stellenden Antrag auf Widerruf der Bestätigung (Art 10 I lit b) verwiesen (BGH MDR 22, 1240 [BGH 07.07.2022 - IX ZB 38/21]). Darüber hinaus regelt Abs 1 hier einen Sonderfall, in dem ausnahmsweise die Vollstreckung aus dem Europäischen Vollstreckungstitel verweigert werden darf. Im Übrigen sind die im Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehenen Rechtsbehelfe anwendbar, soweit sie keine sachliche Überprüfung des Titels enthalten, die gegen Art 21 II verstieße.

 

Rn 2

Wenn alle in Abs 1 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann das im Vollstreckungsstaat zuständige Gericht (für Deutschland s § 1084) auf Antrag die Vollstreckung aus dem Europäischen Vollstreckungstitel verweigern. Die zeitlich frühere und entgegenstehende Entscheidung in derselben Sache muss im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen oder anzuerkennen sein. Mit der Formulierung des Abs 1 lit c soll gemeint sein, dass der Schuldner versuchen muss, die Titelkollision – oder bei laufendem Parallelverfahren den Einwand der entgegenstehenden Rechtshängigkeit – bereits im Ursprungsverfahren geltend zu machen und sich später nur dann darauf berufen darf, wenn eine solche Geltendmachung ausnahmsweise unmöglich war (MüKoZPO/Adolphsen Rz 5).

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