1 Leitsatz

Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann eine Partei gehalten sein, zur Finanzierung eines Rechtsstreits ein Wohnungseigentumsrecht einzusetzen.

2 Normenkette

§§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 Abs. 3 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO

3 Das Problem

K legt Revision ein. Fraglich ist, ob B nach §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Verteidigung Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. B ist nämlich Eigentümer von 6 Wohnungseigentumsrechten (3 in einem Haus A, 3 in einem Haus B) und somit nicht ganz unvermögend. B gibt deren Wert mit insgesamt 1.125.000 EUR an, meint aber, keines veräußern zu müssen (Bargeld oder Geld auf einem Konto hat er nicht).

4 Die Entscheidung

Der BGH ist der Ansicht, B sei es zumutbar, jedenfalls ein Wohnungseigentumsrecht zu veräußern, um aus dem Erlös die Kosten der Rechtsverteidigung aufzubringen! Es sei nämlich davon auszugehen, dass B einen angemessenen Nettoerlös erzielen werde, der ausreiche, um die Kosten des Rechtsstreits zu decken. Dem stehe nicht entgegen, dass die Wohnungen in dem Haus A an B's Söhne und deren Familie vermietet und eine Veräußerung der Wohnungen in dem Haus B ohne vorherige "Generalsanierung" einschließlich der Heizungs- und Warmwasseranlage jedenfalls nicht wertgerecht möglich sei. Die Immobilie, die von einem Familienangehörigen bewohnt werde, stelle kein Schonvermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar. Der Veräußerung stehe auch eine von K weiterverfolgte Schadensersatzklage nicht entgegen. Für einen eventuellen Schadensersatz hafte B persönlich, nicht das Wohnungseigentumsrecht als Sache.

5 Hinweis

Problemüberblick

Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Antwort auf die Frage, ob die Partei in diesem Sinne "arm" ist, muss man fragen, welches Einkommen und Vermögen sie hat. Zum Vermögen einer Partei gehört ihr Wohnungseigentumsrecht. Im Fall wird gefragt, ob die Partei dieses Wohnungseigentumsrecht "einsetzen", mithin es beleihen oder veräußern muss.

Einsatz eines Wohnungseigentumsrechts

Der BGH bejaht die Frage jedenfalls für den Fall, dass eine Person der Eigentümer mehrerer Wohnungseigentumsrechte ist.

Miteigentum

Handelt es sich um ein Wohnungseigentumsrecht, das im gemeinsamen Eigentum mehrerer Personen steht (Miteigentum), ist streitig, ob lediglich die Beleihung des Miteigentumsanteils der bedürftigen Partei oder eine Veräußerung, die lediglich im Wege der Teilungsversteigerung oder eines gemeinsamen Verkaufs durchgesetzt werden könnte, verlangt werden kann.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Im Einzelfall kann die Verwaltung auch für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Prozesskostenhilfe beantragen. Der Antrag ist bislang nur dann erfolgreich, wenn weder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch die Wohnungseigentümer die Kosten des Rechtsstreits aufbringen können (BGH, Beschluss v. 21.3.2019, V ZB 111/18). Ob dies auch nach der WEG-Reform gilt, bleibt abzuwarten, ist aber anzunehmen.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 18.8.2022, V ZR 3/22

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