Leitsatz

Welches Haftungsrisiko besteht bei einer Fehlentscheidung?

 

Normenkette

§ 22 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, § 276 BGB, § 284ff BGB, § 662ff BGB, § 343 HGB, § 347 HGB

 

Kommentar

Der Bundesgerichtshof kam zu folgenden Leitsatz-Feststellungen in seiner Entscheidung vom 21. 12. 1995:

a) Bestehen ernstliche Zweifel, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der beantragten Zustimmung zur baulichen Veränderung des Wohnungseigentums vorliegt, ist der Verwalter, auch wenn er gewerblich tätig wird, befugt, die Wohnungseigentümer um eine Weisung anzugehen.

b) Holt der Verwalter über die Frage, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung vorliegt, eine Weisung der Wohnungseigentümer ein, hat er, wenn er gewerblich tätig wird, die Eigentümer über die aufgetretenen tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen umfassend aufzuklären; hat er die Rechtsfrage mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft, ist es ihm nicht anzulasten, wenn er gleichwohl einem Rechtsirrtum unterliegt.

Aus dem Tatbestand und den Gründen dieser BGH-Entscheidung:

1. lm vorliegenden Fall war in der Teilungserklärung vereinbart, dass grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen ein Wohnungseigentümer die über seiner Wohnung befindliche Dachgeschossfläche nach bauaufsichtsrechtlicher Genehmigung aus- und umbauen sowie mit seiner Wohnung verbinden dürfe. Allerdings sei zu diesen Maßnahmen die Genehmigung des Verwalters notwendig, die nur aus wichtigem Grund versagt werden dürfe, wobei als wichtiger Grund z.B. die begründete Besorgnis anzusehen sei, dass die beabsichtigte Baumaßnahme nicht fachgerecht ausgeführt werde, für alle Umbaumaßnahmen erforderliche Genehmigungen einzuholen und Fachfirmen mit der Bauausführung zu beauftragen seien; dem Verwalter müssten auch die Umbaupläne zur Vervollständigung der Unterlagen eingereicht werden.

2. Der ausbauwillige Eigentümer forderte dann die Zustimmung des Verwalters, wobei er die vereinbarten Auflagen erfüllte bzw. nachwies. Der Verwalter erklärte, dass er mangels eigener Fachkenntnisse zur Überprüfung einen Sachverständigen heranziehen müsse; ebenso legte er dem ausbauwilligen Eigentümer eine Liste von 13 Fragen und Auflagen vor. Dieser setzte ihm allerdings Frist zur Erteilung der Zustimmung. Daraufhin berief der Verwalter eine Eigentümerversammlung ein, die einen Beschluss über das Verfahren bei künftigen DG-Ausbauten fasste und im Beschluss einen Katalog von 18 Vorbedingungen aufstellte. Weiterhin beschloss die Gemeinschaft im konkreten Fall, dass sie die Entscheidung des Verwalters genehmige, die beantragte Verwalterzustimmung zum DG nicht zu erteilen, sondern diese in das Ermessen der heutigen Eigentümerversammlung zu stellen. Beschlossen wurde gleichzeitig, dass der Bauwillige die beschlossenen Punkte erfüllen möge, die ihn und seinen Antrag auf Verwalterzustimmung beträfen, damit eine Prüfung der sach- und fachgerechten Ausführung möglich werde.

In der Beschwerdeinstanz wurden auf Anfechtung des ausbauwilligen Eigentümers diese Beschlüsse aufgehoben; gleichzeitig wurde der Verwalter verpflichtet, die beantragte Zustimmung zu erteilen; der Verwalter kam dann diesem Gebot nach. Nunmehr beantragte der bauwillige Eigentümer in neuerlichem Verfahren im Wege des Schadenersatzes vom Verwalter Erstattung seiner ihm entstandenen Baukostenerhöhungen, Mietzinsausfälle und weiterer Kosten (in Höhe von 106.100 DM).

AG und LG Berlin haben die Anträge abgewiesen; auch das Kammergericht äußerte sich dahingehend, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen, sah sich allerdings durch Beschlussentscheidungen des OLG Karlsruhe vom 9. 2. 1983 und 18. 9. 1984 (OLGZ 85, 133 und 140) gehindert, sodass die Streitsache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt wurde.

3. Nach Meinung des Kammesgerichts sei der Verwalter berechtigt gewesen, die Entscheidung über die beantragte Zustimmung der Eigentümerversammlung zu überlassen; er sei nicht verpflichtet, ein "Einschätzungsrisiko" einzugehen und selbst eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vorzunehmen; damit könne er in solchen Fällen auch nicht haften.

Demgegenüber habe das OLG Karlsruhe für die Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung von Wohnungseigentum ( § 12 WEG) entschieden, dass der Verwalter, auch wenn ihm - was es offen lässt - nicht verwehrt sein sollte, vor seiner Entschließung eine Entscheidung der Eigentümergemeinschaft herbeizuführen, letztlich in eigener Verantwortung über die beantragte Zustimmung entscheiden müsse. Die entscheidende Rechtsfrage sei in beiden Fällen (hier: zur Zustimmung einer baulichen Veränderung, dort zur Veräußerungszustimmung) dieselbe. Das OLG Karlsruhe habe dort trotz eines Eigentümerbeschlusses eine Haftung des Verwalters für den Fall bejaht, dass er sich in einem verschuldeten Irrtum über das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Versagung der Veräußerungszustimmung befunden hatte. Die Frage der Ersetzungsbefugnis seiner Zustimmung durch die Gemeinschaft sei durch das OLG...

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