Leitsatz

In der Entscheidung des OLG Stuttgart ging es primär um die Frage, ob ein unbefristeter Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, der nach der Entscheidung des BGH vom 12.04.2006 (FamRZ 2006, 1006 ff.) tituliert worden ist, wegen der Reform des Unterhaltsrechts zum 1.1.2008 noch nachträglich befristet werden kann.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Frage, ob die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ggü. seiner geschiedenen Ehefrau zeitlich zu befristen sei oder nicht.

Die Ehefrau war vor der Ehe als ungelernte Arbeiterin tätig. Nach 13-jähriger, kinderlos gebliebener Ehe, wurde ihr durch Urteil vom 27.04.2007 unter Berücksichtigung eines fiktiven Vollzeiteinkommens Aufstockungsunterhalt ohne zeitliche Befristung zugesprochen. Das mit der Berufung angefochtene Urteil vom 19.08.2008 hatte eine auf die nachträgliche Befristung des Anspruchs gerichtete Abänderungsklage abgewiesen. Das OLG Stuttgart versagte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels Erfolgsaussicht.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, dem Kläger könne für seine Berufung gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts wegen fehlender Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.

Das angefochtene Urteil sei - jedenfalls im Ergebnis - richtig.

Die Frage, ob die Befristungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vorlägen, bemesse sich im Grundsatz nach dem seit dem 1.1.2008 geltenden Recht, allerdings nach Maßgabe des Übergangsrechts gemäß § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO.

Voraussetzung einer Befristung gemäß § 1578b Abs. 2 BGB n.F. sei in jedem Falle, dass die Tatsachengrundlage für die in diesem Zusammenhang anzustellende Billigkeitsprüfung hinreichend gesichert sei. Da anerkannt sei, dass hierfür den Einkommensmöglichkeiten, die sich dem Unterhaltsberechtigten aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eröffneten, zentrale Bedeutung zukomme, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten nach Wiedereintritt ins Berufsleben nach beendeter Ehe Nachteile verblieben, die ihren Grund in der Ehe selbst hätten und die innere Rechtfertigung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs darstellten, komme eine Befristung nur dann in Betracht, wenn das Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte nach voller Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gesichert erzielen könne, bereits beziffert werden könne. Der BGH halte dies in seiner Entscheidung (FamRZ 2007, 793) bereits dann für möglich, wenn alle hierfür maßgeblichen Umstände bei Schluss der mündlichen Verhandlung zuverlässig voraussehbar seien.

Halte man für möglich, das gesichert erzielbare Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit auch dann zuverlässig vorherzusehen, wenn der Unterhaltsberechtigte eine solche Tätigkeit noch nicht aufgenommen habe, sei eine Befristungsentscheidung bereits ab dem Zeitpunkt möglich, an dem alle für die im Rahmen des § 1578b Abs. 2 BGB n.F. anzustellende Billigkeitsabwägung maßgeblichen Gesichtspunkte hinreichend sicher prognostizierbar seien. Damit könne auch das Einkommen aus fingierter vollschichtiger Tätigkeit hinreichende Grundlage einer Billigkeitsabwägung gemäß § 1578b Abs. 2 BGB sein, wenn nur die Grundlagen der Fiktion hinreichend gesichert seien.

Auf der Grundlage einer solchen Auffassung komme im vorliegenden Fall anhand der derzeit festzustellenden Gegebenheiten eine Befristung gemäß § 1578b Abs. 2 BGB n.F. in Betracht, weil die Beklagte zu jeder vollschichtigen Tätigkeit als ungelernte Arbeiterin in der Lage sei, die mit nur geringen körperlichen Belastungen einhergehe. Sie könne damit an eine Erwerbstätigkeit anknüpfen, die sie bereits vor ihrer Ehe ausgeübt habe. Die Ehe sei auch nicht von derart langer Dauer gewesen, dass allein dieser Umstand für sich genommen einen beruflichen Nachteil nahe lege.

Eine Befristung der Unterhaltsverpflichtung hätte danach auch bereits im Ausgangsverfahren erfolgen können. Aus dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts vom 27.4.2007 ergebe sich, dass es sich bei dem zugesprochenen nachehelichen Unterhalt ausschließlich um Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB a.F. handele, der auch nach der vor dem 1.1.2008 geltenden Gesetzeslage grundsätzlich befristbar gewesen sei (vgl. § 1573 Abs. 5 BGB a.F.).

Die Möglichkeiten zur Befristung des Aufstockungsunterhalts nach dieser Vorschrift waren und sind seit der Rechtsprechungsänderung des BGH im Urteil vom 12.4.2006 (FamRZ 2006, 1006) identisch mit denjenigen im neu formulierten § 1578b BGB, soweit diese den Aufstockungsunterhalt betreffen. Dem erstinstanzlichen Gericht sei darin beizupflichten, dass der BGH mit der erwähnten Rechtsprechungsänderung die Regelungen des § 1578b BGB n.F. für den Bereich des Aufstockungsunterhalts vorweggenommen habe (vgl. Palandt - Brudermüller, BGB, 68. A., Einf. II vor § 1569 Rz. 15; Dose; FamRZ 2007, 1289 [1296]; Gerhardt, a.a.O., Rz. 420).

Die gesetzgeberische Neuerung durch das UÄndG ggü. der seit 12.4.2006 geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung bes...

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