Leitsatz

Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form eines Wohnungseigentums.

 

Normenkette

§ 675 Abs. 2 BGB

 

Das Problem

  1. K erwirbt im Jahr 1992 auf Empfehlung des für B tätigen Vertriebsmitarbeiters F ein Wohnungseigentum für 97.020 DM, das er entsprechend dem ihm erteilten Rat vollständig fremdfinanziert. Als die Mieteinnahmen nicht die prognostizierte Höhe erreichen, gerät K mit der Rückzahlung des Darlehens in Rückstand. Im Jahr 2004 kündigt die finanzierende Bank den Kredit. Die daraufhin eingeleitete Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums erbringt 7.000 EUR.
  2. K verlangt nun (im Jahr 2004) von B Schadensersatz in Höhe von rund 67.000 EUR sowie Freistellung. B habe eine Innenprovision von etwa 15 % des Kaufpreises erhalten. Auf diese Innenprovision sei er – K – nicht hingewiesen worden. Das Landgericht weist die Klage ab, das Kammergericht im Jahr 2013 die Berufung durch Beschluss zurück. Der Bundesgerichtshof hebt im Jahr 2014 die Entscheidung des Kammergerichts auf verweist sie an dieses zurück. Das Kammergericht weist die Berufung erneut zurück. K's Vortrag zu verschwiegenen Innenprovisionen sei irrelevant. Bei der schlichten Vermittlung einer (gebrauchten) Immobilie bestehe keine Pflicht des Vermittlers, über eine Provision aufzuklären. Hiergegen richtet sich K's Revision.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Nach ständiger Rechtsprechung habe ein Anlagevermittler oder ein Anlageberater den Erwerber einer von ihm vermittelten Anlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären, wenn diese 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten. Diese Rechtsprechung gelte auch für die Vermittlung von "Kapitalanlagen in Form einer Eigentumswohnung".
  2. Dies stehe nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich nicht verpflichtet sei, den Interessenten über die Zahlung einer Innenprovision an den von ihm beauftragten Vertrieb aufzuklären, wenn das Objekt nicht mittels eines Prospekts vertrieben wird, sondern durch mündliche Beratung anhand eines konkreten Berechnungsbeispiels. Dieser liege die Erwägung zugrunde, dass der Käufer einer Immobilie grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert habe. Dies gelte für die Aufklärungspflicht des Anlageberaters oder Anlagevermittlers nicht. Die Pflichten eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters aus dem Vertragsverhältnis mit dem Anleger unterschieden sich grundsätzlich von den Pflichten eines Verkäufers. Anlagevermittler und Anlageberater seien nicht Vertragspartner des Kaufvertrags. Die ihnen obliegenden Aufklärungspflichten ergäben sich nicht als Nebenpflichten aus dem Kaufvertrag oder einem zusätzlich zwischen den Parteien des Kaufvertrags bestehenden Beratungsvertrag, sondern aus dem selbstständig zwischen dem Anlageberater bzw. Anlagevermittler und dem Anleger bestehenden Vertragsverhältnis, woraus diese dem Anleger eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände schuldeten, die für dessen Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung seien. Für das Bestehen der Aufklärungspflicht komme es nicht darauf an, ob die Anlage mittels eines Prospekts vertrieben worden sei.
 

Kommentar

Anmerkung

Die Entscheidung zeigt, dass der Bundesgerichtshof den Erwerb eines Wohnungseigentums – soweit es die Beratung angeht – dem Erwerb eines Gesellschaftsanteils, einer Aktie oder eines Fondsanteils gleichstellt. Aus Sicht der "Anleger" ist die Gleichstellung sicher zu begrüßen. Der Sache nach bleibt aber ein schaler Nachgeschmack. Liegen die Fälle wirklich gleich – vor allem wenn der Erwerber das Wohnungseigentum nicht als "Anlageobjekt" sieht, sondern darin wohnen will?

Was ist für den Verwalter wichtig?

Für den Verwalter werden entsprechende Fälle erst "spannend", wenn durch das Vorgehen des Erwerbers eines Wohnungseigentums die Frage betroffen ist, wer Wohnungseigentümer ist. Da nur der "Wohnungseigentümer" Ansprechpartner des Verwalters ist – gibt es keine Vollmacht –, muss der Verwalter dann unter anderem klären, wer noch oder schon oder immer noch das Hausgeld schuldet.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 23.6.2016, III ZR 308/15

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