Leitsatz

  1. Auch in einer Mehrhausanlage mit vereinbarter Kostentrennung sind im Fall einer Beschlussanfechtungsklage ausnahmslos die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft zu verklagen
  2. Gleiches gilt für eine Rechtsmitteleinlegung, fristgerecht gegen alle Beklagten als notwendigen Streitgenossen
  3. Keine erfolgreiche Wiedereinsetzung auf Antrag des Prozessbevollmächtigten bei Irrtum über die Rechtslage; im Zweifel hat er für den Mandanten den sichersten Weg zu wählen
 

Normenkette

§ 46 Abs. 1 Satz 1 WEG

 

Kommentar

  1. Auch in einer Mehrhausanlage mit in der Gemeinschaftsordnung vereinbarter Kostentrennung und separater Abstimmung nur der Eigentümer eines Hauses (hier: Funkerfassung für Heizung und Wasser) sind bei Beschlussanfechtung alle übrigen Eigentümer der Gesamtgemeinschaft als Passivlegitimierte zu verklagen (so im Ergebnis auch die Vorinstanz LG München I, ZfIR 2011 S. 364 gegen die Auffassung des AG Landshut). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 1 WEG, der insoweit nicht einschränkend ausgelegt werden kann (h.M.).

    Damit ist auch eine Berufung unzulässig, wenn sie nur gegen einen Teil der notwendigen Streitgenossen fristgerecht eingelegt wurde. Die gesetzliche Regelung lässt nach unzweideutigem Normtext keine andere Auslegung zu; es sind auch keine Ausnahmen vorgesehen, die an die materiell-rechtliche Betroffenheit anknüpfen – anders als § 48 Abs. 1 Satz 1 WEG für die Beiladung. Angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung ist bei der Bestimmung des Klage- bzw. Berufungsgegners für eine Anknüpfung an Kriterien materiell-rechtlicher Betroffenheit kein Raum (vgl. auch BGH, Beschluss v. 14.5.2009, NJW 2009 S. 2135/2136). Diese Grundsätze gelten auch für nach der Gemeinschaftsordnung gebildete Untergemeinschaften mit eigener Beschlusskompetenz.

  2. Hat der Prozessbevollmächtigte die Frist für Berufungseinlegung gegen alle Eigentümer versäumt, ist von seinem Verschulden auszugehen, da er sich umfassend über die Rechtslage zu informieren hat und Irrtümer hierüber regelmäßig nicht als unverschuldet anzusehen sind; in Zweifelsfällen muss er für seinen Mandanten den sichersten Weg wählen (vgl. auch BGH, Beschluss v. 3.11.2010, NJW 2011 S. 386). Dies gilt umso mehr, als bereits im ersten Rechtszug über Passivlegitimation gestritten wurde. Es hätte daher anwaltlicher Vorsicht entsprochen, vorsorglich fristgerecht Berufung gegen alle Eigentümer einzulegen. Dies gilt auch dann, wenn das Amtsgericht lediglich zur materiell-rechtlichen Frage der Passivlegitimation eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat. Die Entscheidung, ob und ggf. in welchem Umfang das Berufungsverfahren durchgeführt werden sollte, lag ausschließlich im Verantwortungsbereich der anwaltlich vertretenen Klägerseite.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 11.11.2011, V ZR 45/11

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