Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt grundsätzlich einen entsprechenden Antrag des Beschuldigten voraus.
2. In den Fällen des § 141 Abs. 2 S. 1 erfolgt dagegen ggf. eine Verteidigerbestellung von Amts wegen. Darüber hinaus kann auch eine Beiordnung von Amts wegen erfolgen, wenn die Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten dies gebietet.
3. Zuständig für die Bestellung des Pflichtverteidigers ist das nach § 142 Abs. 3 zur Entscheidung berufene Gericht, bei Kollegialgerichten der Vorsitzende. Bei besonderer Eilbedürftigkeit besteht eine vorläufige Zuständigkeit der StA. Deren Entscheidung bedarf der späteren richterlichen Bestätigung.
4. Die Entscheidung über die Beiordnung ergeht durch ausdrückliche Verfügung des Vorsitzenden.
5. Vor der Bestellung des Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Dies gilt auch vor einem Verteidigerwechsel sowie vor der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers.
 

Rdn 3638

 

Literaturhinweise:

Ahmed, Praxisprobleme beim Pflichtverteidiger – Ein Appell an den Gesetzgeber, Richter und Strafverteidiger, StV 2015, 65

Böß, Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, NStZ 2020, 185

­Hillenbrand, Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil 1, StRR 2/2020, 4

ders., Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil 2, StRR 3/2020, Lam/Meyer-Mews, Die gestörte Verteidigung – Möglichkeiten und Grenzen des Widerrufs der Pflichtverteidigerbestellung, NJW 2012, 177

Müller-Jacobsen, Das neue Recht der notwendigen Verteidigung, NJW 2020, 575

Piel, Effektivierung der Beschuldigtenrechte ab Beginn der Ermittlungen – Anspruch vs. Wirklichkeit, StraFo 2020, 362

Salinski, Pflichtverteidiger am Sonntag, StV 2008, 500

s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Allgemeines, Teil P Rdn 3304.

 

Rdn 3639

1.a) Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt seit dem "Gesetz zur Reform des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128) grundsätzlich einen entsprechenden Antrag des Beschuldigten voraus (§ 141 Abs. 1 S. 1; zur Kritik am Antragserfordernis Hillenbrand, StRR 2/2020, 4). Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist auf sein Antragsrecht hinweisen (§ 58 Abs. 2 S. 5). Der Beiordnungsantrag ist nach § 142 Abs. 1 S. 1 im EV bei der Polizei oder bei der StA und nach Erhebung der Anklage bei dem mit der Sache befassten Gericht anzubringen.

 

☆ Reicht der Verteidiger zur Antragstellung einen entsprechenden Schriftsatz ein, sollte deutlich gemacht werden, dass der Antrag nicht im eigenen Namen , sondern im Namen des Beschuldigten gestellt wird. Zwar können Anträge, in denen dies nicht bzw. nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, zwanglos dahingehend ausgelegt werden, dass die Beiordnung namens des Beschuldigten beantragt wird (so zutr. LG Passau, Beschl. v. 26.1.2021 – 1 Qs 6/21), manche Gerichte verweigern allerdings eine solche Auslegung. Es besteht dann die Gefahr, dass der Antrag als unzulässig angesehen wird (vgl. OLG München StRR 2012, 265).nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Beschuldigten gestellt wird. Zwar können Anträge, in denen dies nicht bzw. nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, zwanglos dahingehend ausgelegt werden, dass die Beiordnung namens des Beschuldigten beantragt wird (so zutr. LG Passau, Beschl. v. 26.1.2021 – 1 Qs 6/21), manche Gerichte verweigern allerdings eine solche Auslegung. Es besteht dann die Gefahr, dass der Antrag als unzulässig angesehen wird (vgl. OLG München StRR 2012, 265).

Zudem wird, wenn der Verteidiger zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Wahlmandat wahrnimmt, teils immer noch die Erklärung verlangt, dass für den Fall der Beiordnung das Wahlmandat niedergelegt wird (LG Würzburg, Beschl. v. 10.11.2020 – 6 Qs 197/20; wohl auch LG Aurich, Beschl. v. 5.5.2020 – 12 Qs 78/20). Diese Erklärung ist jedoch nicht notwendig, da der für den Beschuldigten eingereichte Antrag des Wahlverteidigers, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, konkludent die gewünschte Erklärung enthält (BGHSt 59, 284, 286; StV 1981, 12; StRR 1/2017, 13; LG Magdeburg, Beschl. v. 20.2.2020 – 29 Qs 2/20; Beschl. v. 15.5.2020 – 21 Qs 47/20, StRR 9/2020, 21 m. Anm. ­Burhoff u. Beschl. v. 4.6.2020 – 3 Gs 855 Js 81720/19 (164/20); LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.10.2020 – 1 Qs 53/20 u. v. 4.5.2021 – 12 Qs 20/21; LG Passau, Beschl. v. 26.1.2021, 1 Qs 6/21; KK-Willnow § 141 Rn 1). Gleichwohl kann eine entsprechende Ankündigung erfolgen, und sei es nur zur Vermeidung unnötiger Diskussionen.

 

Rdn 3640

b)aa) § 141 Abs. 1 setzt voraus, dass dem Beschuldigten bereits der Tatvorwurf eröffnet ist, zuvor gestellte Beiordnungsanträge sind unzulässig. Wann der Tatvorwurf i.S.d. Vorschrift "eröffnet" ist, wird bislang nicht einheitlich beurteilt. Unstreitig ist lediglich, dass die förmliche Mitteilung gem. §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 1 StPO ausreichend ist, wohingegen nicht abschließend geklärt ist, wie es sich verhält, wenn der Beschuldigte auf so...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge