Entscheidungsstichwort (Thema)

Einschreiten gegen Vermittlung von Sportwetten an nach DDR-Recht konzessionierten Wettveranstalter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Tätigkeit eines Wettvermittlers, der Sportwetten nicht an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter, sondern an ein im Freistaat Thüringen ansässiges Unternehmen vermittelt, dem auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der vormaligen DDR die nach Art. 19 EinigungsV weiter geltende Erlaubnis zum Abschluss von Sportwetten erteilt worden ist, fehlt das für die Inanspruchnahme der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit erforderliche grenzüberschreitende Element.

2. Gleichwohl stellt sich in Anbetracht der nach der Rechtsprechung des Senats bestehenden Zweifel daran, dass sich das Sportwettenmonopol und das § 284 StGB wohl zu entnehmende repressive Verbot der Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter als zulässige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV darstellen, die – im Hauptsacheverfahren zu beantwortende – Frage, ob sich das Einschreiten gegen die Vermittlung von Sportwetten nach Thüringen als verhältnismäßig erweist.

 

Normenkette

EinigungsV Art. 19; StGB § 284; EGV Art. 49

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 29.11.2006; Aktenzeichen 6 F 39/06)

 

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29. November 2006 – 6 F 39/06 – wird die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 21. Juni 2006 ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller, ein türkischer Staatsangehöriger, vermittelt seit 10.3.2006 in seinen Geschäftsräumen in A-Stadt, A-Straße, im Namen der Odds-VermittlungsGmbH, Dortmund, Sportwetten an die Sportwetten GmbH Gera, der offenbar im Jahr 1990 vom Magistrat der Stadt Gera auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der vormaligen DDR eine die Befugnis zur Veranstaltung von Sportwetten einschließende Erlaubnis erteilt worden ist.

Mit Bescheid vom 21.6.2006 untersagte der Antragsgegner unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzuges sowie Androhung und aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,– Euro für den Fall der Nichtbefolgung die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit „Annahme und Weitergabe von Kundenaufträgen im Namen der Odds-Vermittlungs GmbH, Dortmund”, hier speziell den Betrieb einer Annahmestelle und die Vermittlung von Sportwetten für nicht im Saarland konzessionierte Veranstalter, insbesondere zugunsten der Gera Sportwetten, im Stadtgebiet A-Stadt mit sofortiger Wirkung. Für die Abwicklung der geschäftlichen Verpflichtungen wurde eine Frist von 2 Wochen eingeräumt.

Der Bescheid an den Antragsteller ist auf § 8 SPolG in Verbindung mit den §§ 2, 3 und 5 LottStV2004 und die §§ 2 Abs. 1, 4 SportwettG gestützt. Außerdem ist § 284 StGB angeführt.

Gegen den Bescheid hat der Antragsteller unter dem 6.7.2006 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Außerdem hat er am 7.7.2006 beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 29.11.2006 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 21.6.2006 auszusetzen. Gegen den ihm ausweislich des Eingangsstempels seiner Prozessbevollmächtigten auf der ihm übersandten Beschlussausfertigung (Blatt 711 der Akten) am 4.12.2006, ausweislich des Empfangsbekenntnisses seiner Prozessbevollmächtigten am 18.12.2006 (Blatt 732 der Akten) zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 18.12.2006 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Nach dem Ergebnis der durch das Beschwerdevorbringen begrenzten (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 21.6.2006.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die umstrittene ordnungsbehördliche Anordnung des Antragsgegners nicht als offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens muss daher der Ausgang des Hauptsacheverfahrens noch als offen angesehen werden. Die in einem solchen Fall vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.

Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Beurteilung unter anderem die Auffassung vertreten, das Vorgehen gegen den Antragsteller stelle keine „an Art. 3 GG zu messende” Inländerdiskriminierung dar, und in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf seine Beschlüsse vom 23.11.2006 – 6 F 19/06 und andere – ausgeführt, nach seiner Rechtsprechung sei das Verbot de...

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