Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Rechts, die Abänderung einer dienstlichen Beurteilung zu beantragen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht, die Abänderung einer dienstlichen Beurteilung zu beantragen, kann verwirkt werden.

Verwirkung liegt vor, wenn der Beamte längere Zeit nach Eröffnung der Beurteilung untätig blieb und dadurch in zurechenbarer Weise für den Dienstherrn den Anschein erweckt hat, die Beurteilung hinzunehmen.

2. Einzelfall, in dem Verwirkung bejaht wurde, weil der Beamte im Beurteilungsverfahren keinen Gebrauch von den Möglichkeiten gemacht hat, sich zum Beurteilungsentwurf und zur Beurteilung zu äußern, und nach Eröffnung der Beurteilung ohne stichhaltigen Grund über 2 1/2 Jahre zuwartete, bis er erstmals Einwände vorbrachte.

 

Normenkette

VwGO § 124 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 28.03.2006; Aktenzeichen 2 K 110/06)

 

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. März 2006 – 2 K 110/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Durch Urteil vom 28.3.2006 hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Klägers, eines Steuerinspektors, zurückgewiesen, den Beklagten zu verpflichten, die ihm am 13.9.2001 eröffnete, mit dem Gesamturteil „hat sich bewährt” abschließende Regelbeurteilung zum 1.5.2001 abzuändern, und das in Bestätigung des Bescheides vom 19.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2004 damit begründet, der Kläger habe ein mögliches Abänderungsrecht verwirkt. Im Beurteilungsverfahren habe er von den Möglichkeiten zur Geltendmachung von Einwendungen keinen Gebrauch gemacht, und nach der Eröffnung der streitigen Beurteilung habe er über zweieinhalb Jahre, nämlich bis zum 28.4.2004 und damit bis kurz vor dem nächsten Beurteilungsstichtag, dem 1.5.2004, zugewartet, bis er erstmals Gegenvorstellungen vorgebracht habe. Dabei müsse klar gesehen werden, dass der Kläger Beamter des gehobenen Dienstes und in Bezug auf die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen dienstliche Beurteilungen erfahren sei. Überzeugende Gründe für sein langes Zuwarten fehlten. Wahrscheinlicher Grund für das Verhalten des Klägers seien enttäuschte Beförderungshoffnungen.

Der Kläger sucht um die Zulassung der Berufung gegen das genannte Urteil nach und beruft sich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 VwGO.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Zulassungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Weder weicht das angegriffene Urteil von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3.12.1975 – III R 80/75 –

ZBR 1976, 87,

im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 4, noch bestehen im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 28.3.2006, und der Rechtssache kommt unter dem vom Kläger angesprochenen Gesichtspunkt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Die das angefochtene Urteil tragende Annahme, der Kläger habe einen möglichen Anspruch auf Abänderung seiner dienstlichen Beurteilung vom 1.5.2001 verwirkt, steht entgegen der Meinung des Klägers nicht in einem Widerspruch zu einem im Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3.12.1975 – III R 80/75 – enthaltenen Rechtssatz.

Der Kläger meint, das Urteil vom 3.12.1975 sei dahin zu verstehen, die Verwirkung des Rechts, die Abänderung einer dienstlichen Beurteilung zu verlangen, setze in jedem Fall voraus, dass drei Jahre zwischen der Eröffnung der Beurteilung und dem Eingang des Abänderungsantrags vergangen seien. Da vorliegend die dienstliche Beurteilung am 13.9.2001 bekannt gegeben worden sei und die Gegenvorstellung am 28.4.2004 dem Dienstherrn vorgelegen habe, folglich nur etwas mehr als zweieinhalb Jahre dazwischen verstrichen seien, stehe die Bejahung einer Antragsverwirkung im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28.3.2006 in Widerspruch zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 3.12.1975. Dem liegt indes ein Fehlverständnis des letztgenannten Urteils zugrunde. Darin ist eine Mindestzeit, während der der Beamte untätig geblieben sein müsse, um ihm Verwirkung anzulasten, gerade nicht festgelegt worden.

Das genannte Urteil umschreibt die Voraussetzungen einer Anspruchsverwirkung zunächst

a.a.O., S. 89 rechte Spalte,

dahin, „dass ein besonderes Verhalten des Berechtigten oder Anspruchserhebenden in Verbindung mit einem Zeitablauf geeignet ist, bei einem anderen Teil unter Verletzung oder Gefährdung dessen berechtigter Interessen die Vorstellung zu begründen, dass Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden”. Im Weiteren

a.a.O., S. 90 linke Spalte,

heißt es dann, „bei einem dreijährigen Beurteilungsrhythmus (dürfe) die zur Entscheidung über Beförderungen berufene Behörde in der Regel davon ausgehen, dass der betroffene Beamte eine frühere ihm bekannte Beurteilung hingenommen hat, wenn er drei Jahre lang es unterlassen hat, die nächst höhere Behörde anzurufen”. Dies ist ...

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