Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Karrieresprungs

 

Leitsatz (amtlich)

Das 21 Jahre nach Scheidung der Ehe erfolgte Aufrücken des unterhaltspflichtigen Ehegatten aus dem mittleren Management in die obere Führungsebene eines großen Chemieunternehmens entspricht nicht dem Normalverlauf der beruflichen Entwicklung eines promovierten Chemikers und prägt deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr.

 

Normenkette

BGB § 1578 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Neustadt an der Weinstraße (Urteil vom 22.11.2005; Aktenzeichen 2 F 104/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Neustadt an der Weinstraße vom 22.11.2005 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt in Abänderung des Urteils des Senats vom 1.8.2003 (2 UF 28/03) die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höheren nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab April 2004.

Die Parteien waren von 19... bis 19... verheiratet. Die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Ehegattenunterhalt haben sie mit am 13.12.1988 gerichtlich protokolliertem Vergleich (AG Neustadt/W - 2 F 296/87) geregelt und in der Folgezeit wiederholt den geänderten Verhältnissen angepasst. Die letzte Anpassung erfolgte durch das vorstehend genannte Urteil des Senats, durch welches der Beklagte zur Zahlung einer nachehelichen Unterhaltsrente von monatlich 2.357 EUR ab August 2003 verurteilt wurde.

Auf das außergerichtliche Auskunftsverlangen der Klägerin vom 5.4.2004 belegte der Beklagte sein Erwerbseinkommen durch Vorlage der Lohnsteuerbescheinigung für 2003. Auf dieser Grundlage errechnete die Klägerin zu ihren Gunsten einen monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 2.896 EUR, den sie mit ihrer am 11.5.2005 eingereichten, dem Beklagten am 2.6.2005 zugestellten Klage für die Zeit ab Mai 2005 fordert. Für die Zeit von April 2004 bis April 2005 begehrt sie die mit außergerichtlichem Schreiben vom 17.5.2004 geforderten monatlich 2.831 EUR.

Die Parteien streiten darüber, ob das höhere Einkommen des Beklagten in 2003 (Jahresbrutto: 164 104,69 EUR gegenüber Bruttoeinkünften von 135.463,15 EUR in 2001) in voller Höhe der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen ist (so die Klägerin) oder ob dieses teilweise, da auf einem Karrieresprung beruhend, unberücksichtigt zu bleiben hat (so der Beklagte).

Das FamG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Verzug mit einem Unterhaltsmehrbetrag i.H.v. monatlich 474 EUR bestehe seit April 2004. Den Mehrbetrag von 539 EUR könne die Klägerin ab Mai 2005 verlangen, nachdem sie die Abänderungsklage am 11.5.2005 anhängig gemacht habe.

Grundlage der Unterhaltsbemessung sei der Vergleich aus dem Jahr 1988. Danach sei auf das Arbeitseinkommen des Beklagten einschließlich des Realsplittingvorteils im Zwei-Jahres-Turnus - für vorliegendes Abänderungsbegehren mithin auf das Einkommen des Beklagten in 2003 - abzustellen. Hinzuzurechnen sei der Nutzvorteil für den Dienstwagen, der dem Beklagten seit Juli 2002 zur Verfügung stehe und den er privat nutzen dürfe; dieser werde mit monatlich 150 EUR geschätzt.

Die Voraussetzungen für einen Karrieresprung seien nicht gegeben. Es habe sich schon während der Ehe gezeigt, dass der Beklagte ein überdurchschnittlich begabter Chemiker sei. Deshalb sei er auch regelmäßig befördert worden, zuletzt zum "Research-Fellow". Die steile Karriere des Beklagten sei zu erwarten gewesen. An den dadurch bedingten Einkommenssteigerungen nehme die Klägerin deshalb teil.

Darüber hinaus sei der geforderte Unterhalt auch bei hypothetischer Berechnung auf der Grundlage des vor der Beförderung erzielten Einkommens unter Berücksichtigung der regelmäßigen betrieblichen Gehaltssteigerungen geschuldet.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Abänderungsklage weiter. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Karrieresprungs seien entgegen der Auffassung des FamG gegeben. Die fiktive Vergleichsberechnung sei fehlerhaft.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des AG - FamG - Neustadt a. d. Weinstr. vom 22.11.2005 auf seine Berufung hin aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das FamG habe die Voraussetzungen für den Karrieresprung zu Recht verneint. Es fehle schon an einer nicht unerheblichen Gehaltserhöhung und damit an einer wesentlichen Voraussetzung für die Annahme eines Karrieresprungs. Der Beklagte übe seit Juli 2002 auch keine andere Tätigkeit aus als zuvor. Er sei nach wie vor leitender Angestellter.

Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache vollen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen. Das Abänderungsbegehren der Klägerin ist unbegründet; für die Zeit ab April 2004 besteht zu...

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