Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftspraxis: Umfang der vom ausscheidenden Vertragsarzt übernommenen Verpflichtung, Antrag auf Ausschreibung seines Kassenarztsitzes zu stellen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die dem freiwillig aus einer Gemeinschaftspraxis ausscheidenden Vertragsarzt die Pflicht auferlegt, einen Antrag auf Ausschreibung dieses Sitzes zugunsten der Gemeinschaftspraxis zu stellen, verstößt jedenfalls dann nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 GG, wenn die Verpflichtung für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt.

2. Die gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung, die Ausschreibung des Kassenarztsitzes im Falle des freiwilligen Ausscheidens aus der Gemeinschaftspraxis zu beantragen, enthält zugleich die Verpflichtung, ggü. der Kassenärztlichen Vereinigung einen Verzicht auf die Zulassung zu erklären.

3. Der aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Regelung zur Erklärung des Verzichtes auf seine Kassenarztzulassung verpflichtete Arzt hat diesen Verzicht unbedingt zu erklären; eines Schutzes durch eine teilweise für zulässig erachtete bedingte Verzichtserklärung bedarf er regelmäßig nicht.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 20.02.2004; Aktenzeichen 6 O 368/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Frankenthal (Pfalz) vom 20.2.2004 (Az.: 6 U 368/03) abgeändert.

II. Der Beklagte wird über die Entscheidung des BGH vom 22.7.2002 (BGH v. 22.7.2002 - II ZR 265/00, MDR 2003, 207 = BGHReport 2002, 1034 = GesR 2002, 60 = NJW 2002, 3538) hinaus verurteilt, ggü. der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung R.-P. in M. (Regionalzentrum P./N.) einen Verzicht auf seinen augenärztlichen Kassenarztsitz gem. § 103 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 103 Abs. 6 S. 1 SGB V zugunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis des Klägers, ..., zu erklären.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zur Vollstreckung kommenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits entsprechende Sicherheit leistet.

V. Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 20.12.2004 auf 20.000 EUR, für die Zeit danach auf 132.683,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger und sein Vater betrieben in F. eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis. Nach dem Ausscheiden des Vaters zum 31.12.1997 erhielt der Beklagte den frei gewordenen Sitz als Vertragsarzt und setzte die Gemeinschaftspraxis mit dem Kläger fort. Die Vergabe Kassenärztlicher Zulassungen für Augenärzte ist im Planungsbereich F. gem. §§ 101, 103 SGB V beschränkt.

In dem im Dezember 1997 unterzeichneten Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der gemeinsamen Praxis vereinbarten die Parteien für den Fall des Ausscheidens eines Partners nach ordentlicher Kündigung die Übernahme seiner Praxisanteile durch den Kläger gegen Zahlung einer Abfindung sowie die Verpflichtung des ausscheidenden Partners, unverzüglich bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Ausschreibung seines vakant werdenden Kassenarztsitzes zu stellen, um so die weitere Existenz der Gemeinschaftspraxis zu ermöglichen.

Der Beklagte schied zum 30.9.1999 auf Grund einer von ihm im März 1999 erklärten Kündigung aus der Gemeinschaftspraxis aus, ohne allerdings einen Antrag auf Ausschreibung seines Kassenarztsitzes zu stellen. Vielmehr behielt er seine Kassenärztliche Zulassung und eröffnete in der Nähe der klägerischen Praxis zum 1.10.1999 eine Einzelpraxis.

Unter Berufung auf die im Vertrag übernommene Verpflichtung begehrte der Kläger vom Beklagten, die Ausschreibung seines Kassenarztsitzes zu beantragen. Hierzu wurde der Beklagte durch die Entscheidung des BGH vom 22.7.2002 (BGH v. 22.7.2002 - II ZR 265/00, MDR 2003, 207 = BGHReport 2002, 1034 = GesR 2002, 60 = NJW 2002, 3538) rechtskräftig verurteilt. Die Kassenärztliche Vereinigung P. lehnte die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens mit Bescheid vom 17.1.2003 (Bl. 73 ff. d.A.) auch nach Vorlage der genannten Entscheidung jedoch ab, weil der Beklagte keinen Verzicht auf seine Zulassung i.S.v. § 103 Abs. 4 SGB V erklärt habe und der Antrag auf Ausschreibung nicht zu Gunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis, ..., ... gestellt worden sei. Das vom Kläger zur Erzwingung der demnach erforderlichen Erklärungen des Beklagten eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren blieb ebenso erfolglos (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.7.2003; Bl. 20 ff. d.A.) wie die vor dem SG Mainz nach Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung durchgeführte Anfechtungsklage (SG Mainz, Urt. v.16.2.2005; Bl. 208 ff. d.A.).

Im hier zu entscheidenden Verfahren begehrt der Kläger nun vom Beklagten die Erklärung des über den Antrag auf Ausschreibung des Kassenarztsitzes hinaus erforderlichen Verzichts auf seinen - des Beklagten - Kassenarzts...

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