Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Erwerbspflicht bei Betreuung eines Kindes im Vorschulalter

 

Leitsatz (amtlich)

Von einem Elternteil, der ein Kind im Grund- oder Vorschulalter betreut, kann in aller Regel auch bei ganztägiger Fremdbetreuung keine vollschichtige Erwerbstätigkeit verlangt werden. Bei Betreuung eines 5-jährigen Kindes, das in einem Ganztagskindergarten im Nachbarort untergebracht werden kann und für das kein über die altersgemäß erforderliche Zuwendung und Fürsorge hinausgehender besonderer Betreuungsbedarf besteht, genügt der betreuende Elternteil deshalb seiner Erwerbspflicht mit der Ausübung einer teilschichtigen Tätigkeit von 30 Wochenstunden.

 

Normenkette

BGB § 1570

 

Verfahrensgang

AG Rockenhausen (Urteil vom 11.03.2010; Aktenzeichen 3 F 222/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Verbundurteil des AG - Familiengericht - Rockenhausen vom 11.3.2010 in seiner Ziff. 3 geändert:

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt i.H.v.

  • 154,93 EUR für September 2010,
  • 166 EUR für Oktober 2010 und
  • monatlich 144 EUR ab November 2010

zu zahlen.

Die künftig fällig werdenden Unterhaltsrenten sind jeweils im Voraus zu Beginn eines Monats zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es beim Kostenausspruch im angefochtenen Verbundurteil.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsteller 4/5 und die Antragsgegnerin 1/5 zu tragen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Antragsgegnerin.

Ihre am ... geschlossene Ehe wurde auf den der Antragsgegnerin im Mai 2007 zugestellten Scheidungsantrag durch das insoweit nicht angefochtene Verbundurteil geschieden; der Scheidungsausspruch ist seit 3.9.2010 rechtskräftig.

Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn M., geboren am ..., hervorgegangen, der seit der Trennung der Parteien im Mai 2006 bei der Antragsgegnerin lebt. M. wird vormittags im Kindergarten betreut und im Übrigen von der Antragsgegnerin, die dabei von ihren Eltern sowie ihrer Großmutter unterstützt wird.

Der Antragsteller (geboren am ...) ist Landwirtschaftsmeister. Er hat zum 1.5.2005 den elterlichen Betrieb übernommen.

Er ist Alleineigentümer eines lastenfreien Anwesens, das er gemeinsam mit seiner neuen Partnerin bewohnt.

Die Antragsgegnerin (geboren am ...) hat den Beruf einer Malerin und Lackiererin erlernt. Nach Ende der Ausbildung und bis zur Geburt des Sohnes war sie als Fabrikarbeiterin tätig. Nach dreijähriger Erziehungszeit war sie zunächst mehrere Monate arbeitslos, seit Juli 2008 arbeitet sie halbschichtig in ihrem erlernten Beruf.

Das Familiengericht hat - nach Einholung von Sachverständigengutachten zur Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin (Dr. med. L.) und zu den Einkünften des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit (Dr. soc. oec. M.-K.) - das Begehren der Antragsgegnerin auf Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 893 EUR zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin sei in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch eigenes Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit sicherzustellen. Weder die Betreuung des gemeinsamen Sohnes noch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen stünden einer vollschichtigen Tätigkeit der Antragsgegnerin entgegen. Aus einer solchen könne sie ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.200 EUR und damit jedenfalls soviel verdienen, wie dem Antragsteller zur Deckung seines Lebensbedarfes zur Verfügung stehe.

Darüber hinaus sei der Antragsteller, dem ein Selbstbehalt von 1.000 EUR zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs zu belassen sei, allenfalls für einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 124 EUR leistungsfähig. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. M.-K. verfüge er aus seiner selbständigen Tätigkeit als Landwirt über ein um Vorsorgeaufwendungen bereinigtes Nettoeinkommen von 1.049 EUR. Hinzuzurechnen sei der Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens mit monatlich 300 EUR; abzuziehen sei der Mindestunterhalt für den gemeinsamen Sohn i.H.v. monatlich 225 EUR.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Antragsgegnerin (im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe) die Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 224 EUR bis einschließlich Oktober 2010 und 177 EUR ab November 2010 und trägt vor:

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts habe sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach § 1570 BGB.

  • Eine vollschichtige Tätigkeit sei ihr schon aus kindbezogenen Gründen nicht möglich und zumutbar. Die Fremdbetreuung des Sohnes gestalte sich wegen häufiger Erkrankungen schwierig. Der Kindergarten, den M. besuche, biete weder Mittagsessen noch Schlafmöglichkeiten an; M. benötige aber noch seinen Mittagsschlaf. Auf Familienmitglieder zur Fremdbetreuung des Jungen könne sie nur begrenzt zurückgreifen, da ihre ...

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