Leitsatz (amtlich)

›Das Vorliegen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung nach § 1 Abs. 2 MB-KK94 beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht nach dem Inhalt des mit dem behandelnden Arzt abgeschlossenen Behandlungsvertrages. Die Verabreichung von Infusionen zur Tinnitusbehandlung kann ohne weiteres ambulant erfolgen und rechtfertigt keine stationäre Aufnahme. Es besteht daher keine Erstattungspflicht der privaten Zusatzkrankenversicherung, wenn die stationäre Behandlung nur aus Aspekten der Bequemlichkeit erfolgt.‹

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 09.03.2007; Aktenzeichen 3 O 922/04)

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht des Erstrichters hat der Kläger in Bezug auf die streitigen Aufwendungen in Höhe von 5.700,09 EUR (660,00 EUR + 710,42 EUR + 4329,67 EUR) für seine stationäre Heilbehandlung in der Zeit vom 3.-14. Februar 2003 die von den Parteien vereinbarten Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht nachgewiesen.

a) Der (gesetzlich krankenversicherte) Kläger nimmt die Beklagte aus einer Krankheitskostenzusatzversicherung in Anspruch. Nach dem von den Parteien vereinbarten Tarif SM9 übernimmt die Beklagte im Versicherungsfall die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstatteten Aufwendungen des Klägers für "stationäre Heilbehandlung ......." (vgl. Ziffer 1 der AVB zu den Ergänzungstarifen AM9 und SM9). Versicherungsfall ist nach den in den Versicherungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskostenversicherung (MB/KK 94) die "medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen" (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94).

Mit dem Begriff "medizinisch notwendige Heilbehandlung wird - auch für den Versicherungsnehmer erkennbar - nicht an den Vertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und dem behandelnden Arzt und die nach diesem Vertrag geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Es wird vielmehr zur Bestimmung des Versicherungsfalls ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommt. Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK 94 liegt somit vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (BGHZ 133, 208 zum inhaltlichsgleichen § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 76; vgl. auch BGHZ 164, 122). Ob dies der Fall ist, lässt sich nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmen (BGHZ 133, 208, 215, VersR 2006, 535).

b) Die danach erforderlichen Voraussetzungen für den Versicherungsfall "stationäre Heilbehandlung des Klägers in der Zeit vom 3. - 14. Februar 2003" stehen nicht fest.

Dahinstehen kann, ob die von den Ärzten Dr. S..../Dr. L... gewählte Therapie des Tinnitus des Klägers - eine Kombination zwischen der hämorheologischen Infusionstherapie und der hyperbaren Sauerstofftherapie - bedingungsgemäß medizinisch notwendig war. Jedenfalls rechtfertigt der Inhalt der Verhandlung und das Ergebnis der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) nicht die Feststellung, nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung sei es zumindest vertretbar gewesen, die stationäre Durchführung der Therapie als notwendig anzusehen. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. V... in seinen Gutachten vom 28. Mai und 20. Oktober 2005 angesprochene Praktikabilität der stationären Behandlung kann deren medizinische Notwendigkeit in der Regel nicht nahe legen. Dass der stationäre Aufenthalt für den Kläger "bequemer" war als regelmäßige Fahrten zum Arzt zur Durchführung der Therapie mit täglichen Infusionen und "Kammerfahrten" (vgl. Stellungnahme Dr. L... vom 14. November 2004) hätte als objektiver Anknüpfungspunkt für die Beurteilung von deren medizinischer Notwendigkeit nur bedeutsam sein können, wenn - was der Kläger auch geltend macht - die damit verbundene Erleichterung geeignet gewesen wäre, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (vgl. BGHZ 99, 228; BGHZ 133 aaO). Das hat der Kläger schon nicht schlüssig vorgetragen.

(1) Die medizinische Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung (vgl. auch § 4 Abs. 4 MB/KK 94) ergibt sich aus einem Vergleich mit der ambulanten Behandlungsform (vgl. z.B. Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., § 4 MB/KK 94 Rn. 76). Was durch eine ambulante Therapie in gleicher Weise geheilt oder gelindert werden kann, erfordert keine stationäre Behandlung. Die stationäre Behandlung als notwendig anzusehen, wäre...

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