Leitsatz (amtlich)

›1) Wird die fristlose Kündigung eines Mietvertrages über Wohnraum allein auf nachträglich entstandene Gründe gestützt, so ist eine erneute Kündigungserklärung erforderlich. Diese kann im Laufe des Rechtsstreits schriftlich erfolgen. Die Schriftform des § 564 a Abs. 1 S. 1 BGB ist gewahrt, wenn dem Gegner eine vom Prozeßbevollmächtigten des Vermieters beglaubigte Abschrift eines Schriftsatzes zugeht.

2) Stützt der Kläger sein Räumungsbegehren auch oder ausschließlich auf die neue Kündigung, so liegt hierin eine Klageänderung nach § 263 ZPO.‹

 

Gründe

Die Kläger haben Räumung und Herausgabe verlangt, weil aufgrund grober Fahrlässigkeit der Beklagten in dem vermieteten Anwesen in drei Fällen ein Wasserschaden aufgetreten sei. Noch im Verfahren vor dem Amtsgericht haben sie durch Schriftsatz vom 18. Februar 1980 ihre Kündigung hilfsweise auch auf § 554 BGB (fristlose Kündigung bei Zahlungsverzug) gestützt. Das Amtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Hiergegen richtet die Berufung des Klägers, der sich auf Zahlungsverzug, die schon in erster Instanz geltend gemachten Wasserschäden und weitere vermeintliche Kündigungsgründe stützt. Die Beklagten treten der Berufung entgegen.

Durch Beschluß vom 11. November 1980 hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern beschlossen, einen Rechtsentscheid über folgende Rechtsfragen einzuholen:

›1. Kann eine fristlose Kündigung eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum allein auf nachträglich entstandene Gründe gestützt werden, die ebenfalls eine fristlose Kündigung oder eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn ursprünglich keine Kündigungsgründe vorlagen (Auswechseln von Kündigungsgründen)?

2. Bedarf es für den Fall, daß die Frage 1) bejaht wird, einer ausdrücklich erklärten neuen Kündigung oder genügt schriftsätzliches Vorbringen im Verlaufe des Rechtsstreits, mit der Folge, daß das Mietverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst wird, nach Zulassung als Klageänderung?‹

Die Parteien haben Gelegenheit gehabt, zu dem Vorlagebeschluß Stellung zu nehmen. Auf den Schriftsatz des Klägers vom 13. November 1980 und den der Beklagten vom 24. November 1980 wird Bezug genommen.

Die Vorlage ist zulässig. Der Senat ist berechtigt zu prüfen, ob die vorgelegte Rechtsfrage in den Rahmen des Artikels 3 Abs. 1 des 3. MRÄndG fällt, ob sie von grundsätzlicher Bedeutung ist und für die Sachentscheidung im konkreten Fall erheblich sein kann (BayObLGZ 1970, 169, 170 ff.; 1971, 363, 365; OLG Köln, NJW 1968, 1834; Dänzer-Vanotti, NJW 1980, 1777, 1778 m. zahlr. weit. Nachw.). Um dem angerufenen Oberlandesgericht eine diesbezügliche Überprüfung zu ermöglichen, ist der Vorlagebeschluß zu begründen. Der Senat entscheidet in der Sache, obwohl eine Begründung fehlt, weil er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfragen und die Entscheidungserheblichkeit nach dem Vorlagebeschluß und den vorangegangenen Ausführungen der Parteien ohne weiteres beurteilen kann (BayObLGZ 1970, 169, 171). Bedenken bestehen insoweit nicht.

Der Senat beantwortet die aufgeworfenen Rechtsfragen wie aus dem Entscheidungssatz ersichtlich. Für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ist es ausreichend und erforderlich, daß der rechtfertigende Grund besteht. Anzugeben ist er grundsätzlich nicht. Ein schon bei der Kündigung vorhandener Grund kann daher nicht nachgeschoben werden (BGH, WM 1959, 538, 542; BGHZ 27, 220, 223 ff.; Staudinger-Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 564 Rdn. 16 m.w.N.). Nach § 564 a Abs. 1 S. 2 BGB sollen zwar in dem Kündigungsschreiben die Gründe der Kündigung angegeben werden; ein Verstoß gegen diese Vorschrift bleibt aber bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung ohne Rechtsfolgen, da § 564 b Abs. 3 BGB für sie nicht gilt. Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Kündigungserklärung dem Vermieter zugeht, keine Kündigungsgründe vorliegen. Dann wird das Mietverhältnis nicht durch die ausgesprochene Kündigung beendet. Die unwirksame Kündigung kann nicht etwa durch das Nachschieben von Gründen ›geheilt‹ werden (Staudinger-Sonnenschein, aaO., § 564 Rdn. 37; 564 b Rdn. 125 m.w.N.). In diesem Fall ist der Vermieter jedoch materiell-rechtlich nicht gehindert, eine erneute Kündigung des Mietvertrages unter Berufung auf die nachträglich entstandenen Gründe auszusprechen. Eine derartige Kündigung kann auch in der Weise erfolgen, daß der Vermieter sich im Verlaufe des Rechtsstreits schriftsätzlich auf neue Kündigungsgründe beruft (LG Bückeburg, ZMR 1976, 123 ff.; Staudinger-Sonnenschein, aaO., § 564 a Rdn. 22). Es ist sodann Frage der Auslegung der einzelnen Erklärung, ob der Vermieter eine erneute Kündigung aussprechen oder sich lediglich zur Rechtfertigung der schon ausgesprochenen Kündigung neuer Gründe bedienen will. Der Gebrauch des Wortes ›Kündigung‹ ist jedenfalls nicht erforderlich.

Die schriftsätzlich erklärte Kündigung wird mit dem Zugang an den...

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