Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unterhaltsgläubiger, der im Besitz einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde ist, die ohne seine Billigung einseitig errichtet wurde, kann eine ihm zustehende Mehrforderung wahlweise mit Abänderungsklage oder Erstklage geltend machen.

2. Jedoch gilt für die Wahl der Erstklage, dass diese sich auf die Zusatzforderung zu beschränken hat. Für eine Klage über den gesamten Unterhaltsbetrag fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.

 

Normenkette

ZPO §§ 258, 323

 

Verfahrensgang

AG Kandel (Beschluss vom 16.11.2009; Aktenzeichen 2 F 172/09)

 

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3 zu tragen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 1.200 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind seit dem 9.8.2007 getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe ist die am 24.1.1993 geborene Tochter J. E. B. hervorgegangen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.5.2008 begehrte die Klägerin vom Beklagten Zahlung eines Kindesunterhalts i.H.v. 160 % des Mindestunterhaltes abzgl. hälftigen Kindergeldes sowie die Errichtung einer entsprechenden Jugendamtsurkunde.

Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt W. vom 2.7.2008 verpflichtete sich der Beklagte, Kindesunterhalt i.H.v. 136 % des Mindestunterhaltes abzgl. hälftigen Kindergeldes für die Zeit ab dem 1.1.2008 zu zahlen. Nachdem die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 9.7.2008 mitgeteilt hatte, dass sie bei ihrer Forderung verbleibe, verhandelten die Parteien in der Folgezeit weiter, ohne ein Ergebnis zu erzielen. Der Beklagte leistete Zahlungen im Jahre 2008 i.H.v. insgesamt 5.119 EUR und von Januar bis Juni 2009 i.H.v. insgesamt 2.520 EUR.

Mit der am 3.6.2009 erhobenen und am 22.6.2009 zugestellten Klage hat die Klägerin im Wege der Erstklage beantragt, den Beklagten zur Zahlung laufenden verzinslichen Kindesunterhalts für die Zeit ab 1.7.2010 i.H.v. 160 % des Mindestunterhaltes sowie eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom 1.1.2008 bis 30.6.2009 i.H.v. 1.577 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte erstellte am 18.8.2009 eine Jugendamtsurkunde über die Abänderung seiner Unterhaltsverpflichtung, in der er sich zur Zahlung eines Kindesunterhaltes für die Zeit ab dem 1.9.2009 i.H.v. 160 % des Mindestunterhaltes verpflichtete, und zahlte die geforderten Rückstände für die Zeit bis Juni 2009 zzgl. Zinsen.

Der schriftsätzlichen Erledigungserklärung der Klägerin vom 1.9.2009 hat der Beklagte nach Belehrung gem. § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht widersprochen.

Im Hinblick auf Nr. 1211 Nr. 4 KV-GKG hat der Beklagte zudem erklärt, die Kosten des Verfahrens tragen zu wollen, wobei er - entgegen der Darstellung der Klägerin in der Klageschrift - vom Vorliegen einer Abänderungsklage mit einem Streitwert von 2.801 EUR ausgehe. Die Klägerin hat ihre Auffassung vom Vorliegen eines Streitwerts von 7.841 EUR verteidigt.

Mit Beschluss vom 16.11.2009 hat das Familiengericht den Streitwert auf 7.841 EUR festgesetzt und am selben Tag mit dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtstreits unter Hinweis auf die Kostenübernahmeerklärung dem Beklagten auferlegt. Darauf, dass die Klage teilweise unzulässig gewesen sei, komme es nicht an.

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Streitwertbeschluss ist mit Beschluss des Senats vom 22.3.2011 zurückgewiesen worden.

Mit seiner gegen die Kostenentscheidung gerichteten Beschwerde macht der Beklagte geltend:

Die Kostenübernahmeerklärung sei ausdrücklich und erkennbar in der Annahme ergangen, dass das Familiengericht den Streitwert nur aus dem Differenzbetrag zwischen tituliertem und verlangtem erhöhtem Unterhalt errechne. Zur gegenteiligen Ansicht des Familiengerichts, die ihn zu einer Änderung seiner Prozesserklärung veranlasst hätte, sei ihm rechtliches Gehör nicht gewährt worden. Er bestehe nunmehr auf einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes.

Das Familiengericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1.10.2010 nicht abgeholfen mit der Begründung, die Klage sei in vollem Umfang begründet gewesen. Dem Unterhaltsberechtigten sei es nicht zumutbar, zunächst über den unstreitigen Sockelbetrag einen außergerichtlichen Titel zu erwirken und nur den streitigen Spitzenbetrag einzuklagen. Er habe daher auch bei einer einseitigen Unterhaltsverpflichtung in einer Jugendamtsurkunde die Wahl, ob er im Wege der Erstklage nach § 258 ZPO oder der Abänderungsklage nach § 323 ZPO vorgehen wolle.

II. Das zulässige Rechtsmittel führt im Ergebnis zu dem gewünschten Erfolg. Dem Beklagten sind nach § 91a ZPO Kosten nur insoweit aufzuerlegen, als sich die Hauptsache erledigt hat. Nur hierauf hat sich seine Erklärung, die Kosten übernehmen zu wollen, bezogen. Eine Kostenübernahmeerklärung im Sinne der Nr. 1211 Nr. 4 KV-GKG liegt nicht vor. Soweit die Klage von Anfang an unzulässig war, ist - ungeachtet der übereinstimmenden (prozessualen) Erl...

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