Entscheidungsstichwort (Thema)

Eltern. Minderjährigkeit. Testamentsvollstreckung. Ergänzungspflegschaft. Eltern als Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder. kein Interessengegensatz bei Wahrnehmung der Aufgaben als alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Erben und Testamentsvollstrecker in einer Person

 

Leitsatz (amtlich)

Die Eltern sind die natürlichen Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder.

Die Wahrnehmung der Aufgaben als alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen erbenden Kindes und Testamentsvollstrecker in einer Person begründet deshalb für sich allein keinen Interessengegensatz, der ohne konkreten Anlass die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft erfordert (a.A. OLG Nürnberg v. 29.6.2001 - 11 UF 1441/01, OLGReport Nürnberg 2001, 293 = MDR 2001, 1117 = FamRZ 2002, 272; OLG Hamm, FOLG Hamm v. 13.1.1993 - 15 W 216/92, amRZ 1993, 1122).

 

Normenkette

BGB § 1638 Abs. 3, §§ 1640, 1643, 1909 Abs. 1, §§ 2215-2216, 2218

 

Verfahrensgang

AG Kaiserslautern (Beschluss vom 04.10.2006; Aktenzeichen 7 F 991/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 05.03.2008; Aktenzeichen XII ZB 2/07)

 

Tenor

I. Der Beschluss des Rechtspflegers des AG - FamG - Kaiserslautern vom 4.10.2006 wird aufgehoben und der Antrag auf Anordnung einer Ergänzungspflegschaft abgewiesen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Betroffene L.K. wurde durch notarielles Testament vom 14.5.2001 (Notar ..., Urkunden Nr. .../2001) als Alleinerbe seines Großvaters H.B. eingesetzt, zugleich seine Mutter, die weiter Beteiligte zu 1), von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausgeschlossen (§ 6 des notariellen Testaments) und Testamentsvollstreckung zum Vollzug zahlreicher Vermächtnisse und Auflagen angeordnet. Zum Testamentsvollstrecker wurde der weiter Beteiligte zu 2), der Vater von L., bestimmt.

Zum Nachlass gehören ein Kommanditanteil von 51 % an der Firma ... GmbH und Co. KG in K., ein 60-prozentiger Geschäftsanteil an der Firma Baugesellschaft ... GmbH und Co. KG in L. sowie Immobilienvermögen. Der weiter Beteiligte zu 2) ist an beiden genannten Firmen als Gesellschafter beteiligt und Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär GmbH.

Die Kindeseltern sind geschieden.

Ein Erbschein ist bislang nicht erteilt worden.

Auf den Antrag der weiter Beteiligte zu 1) hat der Rechtspfleger des FamG Ergänzungspflegschaft angeordnet für die Aufgabenkreise Wahrnehmung der Rechte ggü. dem Testamentsvollstrecker und Wahrnehmung der Rechte aus dem Gesellschaftsbeteiligungen des Minderjährigen, da die Eltern wegen Interessenkonflikts von der Vertretung ausgeschlossen seien.

II. Das hiergegen erhobene, als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel des weiter Beteiligten zu 2) ist als befristete Beschwerde nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz statthaft und verfahrensrechtlich unbedenklich.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angeordneten Ergänzungspflegschaft. Nach § 1909 Abs. 1 BGB erhält derjenige, der unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger.

Zwar ist die Mutter von L. durch die letztwillige Verfügung von der Verwaltung des vererbten Vermögens ausgeschlossen. Infolgedessen verwaltet der weiter Beteiligte zu 2) das Vermögen allein und vertritt L. auch insoweit allein, § 1638 Abs. 3 BGB.

Weder die Einsetzung als Testamentsvollstrecker noch seine Stellung als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaften, an denen L. nunmehr beteiligt ist, begründet für sich allein einen Interessengegensatz, der die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft erforderlich macht.

Es wird zwar in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die Doppelstellung als Testamentsvollstrecker und gesetzlicher Vertreter des Erben einen Interessengegensatz insoweit begründen soll, als dem gesetzlichen Vertreter ggü. dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich echte Überwachungsaufgaben nach den §§ 2215, 2216, 2218 BGB zukommen (OLG Hamm v. 13.1.1993 - 15 W 216/92, FamRZ 1993, 1122; OLG Nürnberg v. 29.6.2001 - 11 UF 1441/01, OLGReport Nürnberg 2001, 293 = MDR 2001, 1117 = FamRZ 2002, 272). An der Wahrnehmung dieser Überwachungsaufgaben sei der gesetzliche Vertreter gehindert, so dass ein konkretes Bedürfnis für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft bestehe.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Gesetzgeber sieht die Eltern als natürliche Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder an, deren Interessen in der Regel nicht im Gegensatz zueinander stehen (BGH FamRZ 1975, 686). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des...

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