Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderungsverlangen des Berufungsbeklagten im Unterhaltsprozess bei abgelaufener Anschlussberufungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befristung der Anschlussberufung durch Art. 2 des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001 ändert nichts an der Befugnis, auch nach Fristablauf aufgrund eingetretener tatsächlicher Veränderungen statt der Erhebung einer selbständigen Abänderungsklage in einem noch laufenden Berufungsverfahren einen höheren Unterhaltsanspruch geltend zu machen.

Ein erweitertes Unterhaltsverlangen kann indes nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 323 ZPO geltend gemacht werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 323, 524 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Speyer (Urteil vom 04.11.2002; Aktenzeichen 43 F 176/01)

 

Tenor

Auf die Gegenvorstellung der Antragstellerin vom 9.7.2003 wird der Senatsbeschluss vom 16.6.2003 teilweise geändert:

Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Anschlussberufung gegen das Urteil des AG – FamG – Speyer vom 4.11.2002 zu den Bedingungen des Senatsbeschlusses vom 29.4.2003 Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 630 Euro monatlich ab Juli 2003 geltend machen will.

Auch insoweit wird ihr antragsgemäß Rechtsanwalt …, …, zur Vertretung im Berufungsverfahren beigeordnet.

Der weiter gehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Senat hält an der in den Beschlüssen vom 16.6. und 11.7.2003 vertretenen Auffassung, wonach die beabsichtigte Anschlussberufung der Antragstellerin wegen Ablaufs der Frist zur Einlegung des Anschlussrechtsmittels unzulässig sei, nicht mehr fest.

Die Befristung der Anschlussberufung durch Art. 2 des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) ändert nichts an der Befugnis, aufgrund eingetretener tatsächlicher Veränderungen statt der Erhebung einer selbständigen Abänderungsklage in einem noch laufenden Berufungsverfahren einen höheren Unterhaltsanspruch geltend zu machen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., vor § 621e Rz. 12; zur Problemstellung umfassend: Born, FamRZ 2003, 1245 f.). Hierfür spricht sowohl die Prozesswirtschaftlichkeit als auch der Gesichtspunkt, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen vermindert wird.

Der BGH hat eine Befugnis des Unterhaltsgläubigers zur Einlegung einer Anschlussberufung in dem Fall bejaht, dass ein Kläger mit einem Teil seines Rentenanspruchs rechtskräftig abgewiesen worden war und nach einer auf die Revision des Gegners erfolgten Zurückverweisung der Sache im Wege der Anschlussberufung einen Anspruch auf eine erhöhte Rente beim Berufungsgericht geltend gemacht hatte (BGH LM, § 323 ZPO Nr. 4, zur Befugnis des Berufungsklägers zur Erweiterung seines Berufungsantrags bei einer ihn betreffenden entspr. Fallkonstellation: BGH v. 3.4.1985 – IVb ZR 18/84, MDR 1985, 747 = FamRZ 1985, 691; OLG Koblenz v. 17.11.1987 – 11 UF 1546/86, FamRZ 1988, 302). Maßgebend hierfür war, dass der jeweilige Rechtsmittelantrag an die Stelle einer selbständigen Abänderungsklage treten konnte.

Mit der Neuregelung zur Befristung der Anschlussberufung wird vom Gesetzgeber eine Beschleunigung und Konzentration des Berufungsverfahrens bezweckt. Dies steht nach Auffassung des Senats einer Anwendung dieser BGH-Rspr. auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht entgegen. Neben dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht hierfür auch, dass vor Abschluss des Berufungsverfahrens eine Abänderungsklage nicht zulässig erhoben werden kann und die veränderten Tatsachen in getrennten Verfahren mehrfach – zur Verteidigung gegen die Berufung, später zur Begründung des Erhöhungsverlangens – mit der Gefahr des Widerspruchs beurteilt werden müssten.

Da nach Ablauf der Anschlussberufungsbegründungsfrist die teilweise Abweisung des Unterhaltsantrags in Rechtskraft erwachsen ist, kann ein erweitertes Unterhaltsverlangen nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 323 ZPO geltend gemacht werden (BGH v. 17.11.1987 – 11 UF 1546/86 = FamRZ 1985, 691).

Vorliegend kommt mithin eine PKH-Bewilligung für die Antragstellerin nicht schon für den Unterhaltszeitraum ab Februar 2003, sondern frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Mai 2003 (vgl. § 323 Abs. 3 ZPO) in Betracht.

Aufgrund der maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse kommt ein höherer Unterhaltsanspruch als die erstinstanzlich zugesprochenen 567 Euro monatlich erst ab Juni 2003 in Betracht. Für diesen Monat erreicht er jedoch nicht die Wesentlichkeitsgrenze des § 323 Abs. 1 ZPO. Diese wird erst für den Unterhaltszeitraum ab Juli 2003 überschritten, allerdings nicht in der von der Antragstellerin errechneten Höhe.

Hoffmann Geisert Kratz

 

Fundstellen

Haufe-Index 1111503

FamRZ 2004, 554

MDR 2004, 454

ZFE 2004, 186

NJOZ 2005, 1294

OLGR-KSZ 2004, 15

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