Leitsatz (amtlich)

1. Vor dem 1.1.1900 bestehende Grunddienstbarkeiten bedürfen zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuches nicht der Eintragung in das Grundbuch.

2. Zur Fortgeltung einer altrechtlichen Dienstbarkeit (Geh- und Fahrtrechte) eines im damaligen Königreich Preußen gelegenen Grundstücks.

 

Normenkette

BGBEG Art. 187 Abs. 1; GBO §§ 22, 29

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Verfügung vom 30.12.2011)

 

Tenor

Die Zwischenverfügung des AG - Grundbuchamt - Westerburg vom 30.12.2011 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A ... Bl .... eingetragenen Grundstücks lfd. Nr. 11, Flur 14, Flst. Nr. 8/1, Gebäude- und Freifläche,..., vormals Flur 14, Flst. Nr. 21,

die Beteiligte zu 2. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A ... Bl .... eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 1, Flur 14, Flst. Nr. 10, Gebäude- und Freifläche,..., vormals Flur 14, Flst. Nr. 22,

der Beteiligte zu 3. ist Eigentümer des im Grundbuch von A ... Bl .... eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 11, Flur 14, Flst. Nr. 12/1, Gebäude- und Freifläche,..., vormals Flur 14, Flst. Nr. 23 und

die Beteiligte zu 4. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A ... Bl .... eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 17, Flur 14, Flst. Nr. 11/2, Gebäude- und Freifläche,..., vormals Flur 14, Flst. Nr. 24.

Für diese Grundstücke waren im Stockbuch der Gemeinde folgende Geh- und Fahrtrechte eingetragen:

a) der Besitzer des (alten) Flurstücks 21 (heute Flurstück 8/1) hat das Recht über die Hofraithe Nr. 22 und 24 in der hergebrachten Weise über die in der auf der Charte punktierten Richtung zu fahren und gehen,

b) der Besitzer des (alten) Flurstücks 22 (heute Flurstück 10) hat das Recht in der auf der Charte punktierten Richtung über Nrn. 21 und 24 zu fahren und zu gehen,

c) der Besitzer des (alten) Flurstücks 23 (heute Flurstück 12/1) hat das Recht in der auf der Charte punktierten Richtung über die Nr. 24 zu fahren und zu gehen,

d) die Besitzer der (alten) Flurstücke Nrn. 21 (heute Flurstück 8/1), 22 (heute Flurstück 10) und 23 (heute Flurstück 12/1) haben das Recht über die in der Karte punktierte Richtung über die Nr. 24 zu fahren und zu gehen.

Bei der Überleitung des Stockbuches in das Grundbuch bei In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 wurden diese Rechte nicht mitübertragen.

Die Beteiligte zu 1. begehrt die Übernahme der Rechte in die heutigen Grundbücher mit Rang vor allen in den Grundbüchern in Abt. II. und III. eingetragenen Rechten.

Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hat die Eintragung in der angefochtenen Zwischenverfügung von der Vorlage von Berichtigungsbewilligungen aller betroffener Eigentümer abhängig gemacht. Er verweist auf die Entscheidung des BGH vom 21.10.2011 (Az. V ZR 10/11) und vertritt die Auffassung, dass die Dienstbarkeiten - analog dem Servitutenbuch einer Württembergischen Gemeinde - gem. § 46 Abs. 2 GBO als gelöscht gelten.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit der Beschwerde. Sie macht einen Anspruch auf Übertragung der Servitute in das Grundbuch gem. Art. 187 Abs. 1 Satz 2 EGBGB geltend.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1, 72, 73, 81 GBO zulässig. Der Senat ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 2a GerOrgG Rheinland-Pfalz, § 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG zur Entscheidung berufen.

In der Sache führt die Beschwerde zum Erfolg. Die Eintragung der altrechtlichen Dienstbarkeiten im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO scheitert nicht daran, dass die Dienstbarkeiten infolge der Nichtübertragung in das Grundbuch gem. § 46 Abs. 2 GBO als gelöscht gelten.

Nach Art. 184 EGBGB bleiben Rechte, mit denen eine Sache zur Zeit des In-Kraft-Tretens des Bürgerlichen Gesetzbuches belastet ist, mit dem sich aus dem bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Rang bestehen, soweit sich nicht aus Art. 192 - 195 EGBGB, die hier nicht vorliegen, ein anderes ergibt. Für solche altrechtlichen Dienstbarkeiten bestimmt Art. 187 Abs. 1 EGBGB weiter, dass sie auch zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung bedürfen. Die Eintragung hat jedoch zu erfolgen, wenn sie von dem Berechtigten oder dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verlangt wird.

Die Eintragung einer altrechtlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch ist eine Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO), deren Nachweis in der Form des § 29 GBO zu führen ist (BayObLG Rpfleger 1979, 381). Den Nachweis des Bestehens der altrechtlichen Wegerechte hat die Beteiligte zu 1. durch die Vorlage des amtlich beglaubigten Auszuges aus dem Stockbuch der Gemeinde A ... nachgewiesen.

Diese Rechte sind nicht durch die Nichtübertragung bei der Überleitung des Stockbuchs in das Grundbuch erloschen. Die von dem Rechtspfleger zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Rechtsprechung des BGH in dem Urteil vom 21.10.2011 (Az. V ZR 10/11) findet vorliegend keine Anwendung, da sich das Urteil auf die im damaligen Königreich Württemberg und dem heutigen Bundesland Baden-Württemberg geltende Gesetzeslage bezieht, die ...

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