Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren: Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes mit Titelfunktion. Erbscheinsverfahren. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes mit Titelfunktion. Anwendbarkeit des § 792 ZPO bei der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvollstreckung. Prüfung der Antragsbefugnis des Steuergläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendbarkeit des § 792 ZPO bei der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvollstreckung wegen Geldleistungen (Gewerbesteuer).

2. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes mit Titelfunktion hat der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Erbscheinsverfahren bei der Prüfung der Antragsbefugnis des Steuergläubigers selbst zu beurteilen.

 

Normenkette

ZPO § 792

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Beschluss vom 10.03.2006; Aktenzeichen 2 T 136/06)

AG Neuwied (Aktenzeichen 2 VI 457/05)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG), nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§ 29 Abs. 1 S. 1 und 3 FGG). Die Berechtigung der Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gem. §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

Das sonach zulässige Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Entscheidung des LG, dass die erstbeteiligte kommunale Gebietskörperschaft im vorliegenden Fall nicht zur Beantragung eines Erbscheins über die Erbfolge nach dem Erblasser berechtigt ist, hält jedenfalls im Ergebnis der Rechtskontrolle im dritten Rechtszug (§ 27 FGG, § 546 ZPO) stand.

Das Recht zur Beantragung eines Erbscheins steht nicht jedem zu, der an der Erteilung ein rechtliches Interesse hat. Neben dem Erben (§§ 2353, 2357 BGB) können nur diejenigen einen Erbschein beantragen, die kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung (etwa als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter) oder Rechtsnachfolge die Rechte des Erben wahrnehmen oder die durch einen vollstreckbaren Titel ermächtigt sind, in diese Rechte einzugreifen (§ 792 ZPO).

Stammt der Antrag nicht von einem Erben, sondern rührt er - wie im Streitfall - von einem Dritten her, hat er einen Erbschein zum Ziel, der für eine andere Person (hier: die Beteiligte zu 2) als Witwe des Erblassers) das Erbrecht bezeugt. In einem solchen Fall hängen Antragsrecht und tatsächliche Erbenstellung nicht untrennbar zusammen. Deshalb hat ein solcher Dritter im Erbscheinsverfahren seine Rechtsstellung nachzuweisen, die auch in der Verfahrensvoraussetzung Antragsrecht voll geprüft werden muss (Palandt/Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2353 Rz. 12). Fehlt sie, ist der Erbscheinsantrag (als unzulässig) zurückzuweisen.

So liegen die Dinge hier.

1. Die Vorschrift des § 792 ZPO ist bei der hier in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvollstreckung wegen Geldleistungen (Gewerbesteuerschulden) von vornherein nur auf bestimmte Fallgestaltungen anwendbar. Grundsätzlich ist die Vollstreckung von abgaberechtlichen Verwaltungsakten den zuständigen Trägern öffentlicher Gewalt übertragen; diese können die Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen dem Bürger ggü. anordnen und selbst geschaffene Titel (sog. Grundverwaltungsakte) sodann auch selbst durchsetzen ("Selbstvollstreckung"). Dabei bedarf die Vollstreckungsbehörde, wenn sie gegen den Erblasser erlassene Verwaltungsakte gegen den Erben vollstrecken will, keines Nachweises in der Form eines Erbscheins, wie bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen den Erben nach § 727 ZPO; sie kann vielmehr selbst das erforderliche Leistungsgebot an denjenigen richten, den sie für den Erben hält.

Etwas anderes gilt allerdings bei der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Geldleistungsschuldners, weil insoweit auf die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften verwiesen und der Vollstreckungsbehörde nur die Stellung des Zwangsvollstreckungsgläubigers eingeräumt wird (vgl. § 59 LVwVG Rheinland-Pfalz bzw. § 322 AO); hier kann es vorkommen, dass die Vollstreckungsbehörde ggü. dem Grundbuchamt oder dem Vollstreckungsgericht zum Nachweis der Erbeneigenschaft eines Erbscheins bedarf, wie im Fall des § 17 Abs. 1 und Abs. 3 ZVG. In einem derartigen Fall ist dann auch § 792 ZPO anwendbar (vgl. zum Ganzen: BayObLG v. 3.5.2001 - 1Z BR 18/00, BayObLGReport 2001, 50 = NJW-RR 2002, 440 f., m.w.N. = FamRZ 2001, 1737 = ZEV 2001, 408, m.w.N.).

Dazu, ob sie eines Erbscheins bedarf, weil sie beabsichtigt, in von dem Erblasser herrührenden Grundbesitz zu vollstrecken, hat die Beteiligte zu 1) in den Tatsacheninstanzen keinen Sachvortrag gehalten. Dieser Frage muss indes nicht weiter nachgegangen werden, weil ein Antragsrecht nach § 792 ZPO jedenfalls aus den nachfolgend unter 2. dargestellten Gründen nicht besteht.

2. Die Beteiligte zu 1) ist nach den in dem Erbscheinsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht Inhaberin von gegen ...

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