Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung eines Erbscheins über die Erbfolge. Erbvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Widerruflichkeit von vertragsmäßig getroffenen Verfügungen im Rahmen eines Erbvertrages.

 

Normenkette

BGB §§ 1941, 2274 ff.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 31.08.1994; Aktenzeichen 2 T 575/94)

AG Lahnstein (Aktenzeichen 1 VI 395/93)

 

Tenor

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1) hat dem Beteiligten zu 4) die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 15 000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin war die Witwe des am 10. Juli 1979 vorverstorbenen … Kurz vor ihrer Heirat schlossen die späteren Ehegatten am 12. Juli 1960 einen notariellen Erbvertrag (UR-Nr. 1467/60 des Notars …), in dem sie sich für den Fall des Zustandekommens der Eheschließung gegenseitig zu Alleinerben setzten. Weiter heißt es in dem Erbvertrag:

„Der Überlebende von uns beiden setzt sodann zu seinem alleinigen Erben den Enkelsohn …, den Sohn des Sohnes … des Bräutigams … aus dessen erster Ehe ein. Sollte jedoch für den Fall, daß … der Erstversterbende sein sollte, sein Sohn … oder, falls dieser auch nicht mehr lebt, der genannte Enkelsohn … den Pflichtteil aus dem Nachlaß des Vaters bzw. Großvaters … fordern, so soll er vom Erbe des Überlebenden ausgeschlossen sein.

Ein Rücktrittsrecht von diesem Vertrage oder einen Widerruf desselben behalten wir uns nicht vor.”

Der Ehemann der Erblasserin, …, errichtete am 1. März 1976 ein eigenhändiges Testament, in dem er wiederum die Erblasserin zu seiner Alleinerbin einsetzte. Weiter war in dem Testament ausgeführt, die Erbeinsetzung erfolge als Ausgleich dafür, daß seine Ehefrau ihn seit 15 Jahren allein unterhalte, pflege und versorge.

Am 4. Juli 1978 verfaßte der Ehemann der Erblasserin einen datierten und unterzeichneten Zusatz zu diesem Testament mit folgendem Wortlaut:

„Alle bisher gemachten Ausführungen erkläre ich hiermit für ungültig.”

Diese Erklärung ist von einer Frau …, einer Schwägerin der Erblasserin, als Zeugin mitunterschrieben worden (vgl. Bl. 22 d.A.; Bl. 5 d.A. 1 IV 310/80 AG Lahnstein).

Die Erblasserin selbst hat außer dem genannten Erbvertrag eine Verfügung von Todes wegen nicht hinterlassen. Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind die Nichten und der Neffe der kinderlos verstorbenen Erblasserin und ihre gesetzlichen Erben. Der Beteiligte zu 4) ist der in dem Erbvertrag bedachte Enkel des Ehemannes der Erblasserin aus dessen erster Ehe.

Der Beteiligte zu 4) hat beantragt, ihm aufgrund des Erbvertrages vom 12. Juli 1960 einen Erbschein als Alleinerbe der Erblasserin zu erteilen. Sein Vater … hat an Eides Statt versichert, er habe nach dem Tode des … den Pflichtteil nicht verlangt.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 4) mit Beschluß vom 19. Mai 1994 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schlußerbeneinsetzung des Enkels in dem Erbvertrag sei durch das spätere eigenhändige Testament in Verbindung mit dem Zusatz widerrufen worden, gleichzeitig sei die Bindung der Erblasserin hieran aufgehoben worden. Da die Erblasserin eine Verfügung von Todes wegen nicht mehr getroffen habe, sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4) hat das Landgericht diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, dem Beteiligten zu 4) den beantragten Erbschein zu erteilen. Die Beschwerdekammer hat ihre Entscheidung damit begründet, es handele sich bei der Einsetzung des Beteiligten zu 4) zum Schlußerben um eine vertragsmäßige Verfügung. Einer Beeinträchtigung der Stellung des Schlußerben stehe § 2289 BGB entgegen, so daß das Testament vom 1. März 1976 und der Zusatz vom 4. Juli 1978 unwirksam wären, sofern sie im Sinne einer Aufhebung dieser Erbeinsetzung auszulegen wären. Einer Beweisaufnahme über den Sinn des privatschriftlichen Testaments und des Zusatzes bedürfe es daher nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). Die Beschwerdeführerin vertritt weiterhin die Auffassung, es sei nach der Erblasserin die gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Der Beteiligte zu 4) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, 20 Abs. 1 FGG). In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).

Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß sich die Erbfolge nach der Erblasserin nach dem Erbvertrag vom 12. Juli 1960 regelt (§§ 1941, 2274 ff BGB). In einem Erbvertrag kann jeder der Vertragsschließenden vertragsmäßige (§ 2278 BGB), aber auch einseitige (§ 2299 BGB) Verfügungen treffen. Die spezifische erbvertragliche Bindung tritt nur durch vertragsmäßige Verfügungen...

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