Leitsatz (amtlich)

Eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG für Ansprüche "im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe" setzt keine nahe zeitliche Verbindung eines Anspruchs mit der Auflösung der Ehe voraus.

 

Normenkette

FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Zweibrücken (Beschluss vom 27.12.2011)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 28.12.2011 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Zweibrücken vom 27.12.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Das LG hat zu Recht seine Zuständigkeit für den Rechtsstreit verneint, weil eine ausschließliche Zuständigkeit der Familiengerichte nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gegeben ist.

Nach den §§ 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, S. 2 GVG, 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind die AG als Familiengerichte u.a. zuständig für Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn Ansprüche mit dem Ziel der wirtschaftlichen Entflechtung der (ehemaligen) Ehegatten mit Blick auf deren Trennung oder Scheidung geltend gemacht werden. Die von der Klägerin beanspruchte Nutzungsentschädigung für die im Miteigentum der Parteien stehende frühere Ehewohnung weist einen solchen inhaltlichen Zusammenhang auf. Dies wird in der Entscheidung des LG auch nicht infrage gestellt.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre im November 2011 eingereichte Klage auf Nutzungsentschädigung für Oktober 2009 bis Juli 2011. Die Ehe der Parteien ist seit 30.4.2005 rechtskräftig geschieden. Der Beklagte nutzt das im Miteigentum der Parteien stehende Anwesen allein und bediente die darauf lastenden Verbindlichkeiten bis September 2009.

Die Beschwerde ist der Auffassung, hier fehle ein Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung der Ehe der Parteien, weil die Zahlungseinstellung durch den Beklagten auf finanziellen Dispositionen ohne Bezug zur früheren Ehe mit der Klägerin erfolgt sei. Dieser Einwand geht schon deshalb fehl, weil die Klage nicht darauf gerichtet ist, dass der Beklagte weiterhin Zahlungen auf das gemeinsame Finanzierungsdarlehen für die frühere Ehewohnung leisten soll.

Die Anwendung von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Beendigung der Ehe und den geltend gemachten Ansprüchen fehlt.

Es ist umstritten, ob die gesetzliche Regelung neben dem inhaltlichen auch einen zeitlichen Zusammenhang erfordert. Letzteres wird mit Rücksicht auf die Gesetzesmaterialien vertreten, in denen eine inhaltliche und zeitliche Verbindung mit der Auflösung der Ehe als Vorstellung des Gesetzgebers formuliert ist. Die wohl überwiegende Auffassung lehnt eine zeitliche Einschränkung für die Frage des Zusammenhangs dagegen ab (vergleiche zum Meinungsstand etwa MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 266 FamFG Rz. 26; Musielak/Borth Familiengerichtliches Verfahren 2. Aufl., § 266 Rz. 12, Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl., § 266 Rz. 15, OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1420; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 1581).

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Für sie spricht entscheidend, dass eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung Rechtssicherheit erfordert, eine zeitliche Eingrenzung des erforderlichen Zusammenhangs aber kaum verlässlich und vorhersehbar bestimmt werden kann (vergleiche Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O.). Für den in den Gesetzesmaterialien angesprochenen zeitlichen Zusammenhang fehlt es an einer Umsetzung im Gesetzeswortlaut.

Grundlage des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsentschädigung ist ein Verlangen nach Änderung bzw. Anpassung der im Zusammenhang mit der Trennung beziehungsweise Scheidung - ausdrücklich oder konkludent - getroffenen Nutzungsregelung für die frühere Ehewohnung. Ob und in welchem zeitlichen Abstand nach Trennung und Scheidung ein Bedürfnis zu einer Neuregelung in diesen Fällen besteht, kann für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend sein. Ein gerichtlicher Zuständigkeitswechsel nach Verstreichen einer bestimmten Zeitspanne seit der Scheidung lässt sich sachlich nicht begründen und wäre willkürlich. Besteht wie hier eine Nutzungsregelung für gemeinsames Eigentum aus der Trennungsoder Scheidungszeit fort, ist davon auszugehen, dass eine wirtschaftliche Entflechtung der früheren Eheleute nicht vollständig vollzogen ist. Die Zuständigkeit der Familiengerichte ist daher auch systemgerecht.

Nebenentscheidungen betreffend die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2939899

FamRZ 2012, 1410

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