Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluß wird geändert:

Die von dem Schuldner gemäß § 788 Abs. 1 ZPO an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten werden auf 577,14 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit 10. September 1990 festgesetzt.

II. Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 577,14 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die nach Vorlage der Akten als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung der Gläubigerin ist statthaft und in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 104 ZPO, 21: Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 11 Abs. 2 Satz 4 und 5 RPflG). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache. den erstrebten Erfolg und führt in Änderung des angefochtenen Beschlusses zur beantragten Festsetzung der 10/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO in Höhe von 571,14 DM (einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) sowie der Zustellungskosten in Höhe von weiteren 6,– DM.

Die Frage, ob eine im Rahmen der Zwangsvollstreckung geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB sein kann und ob die hierdurch entstandenen Rechtsanwaltsgebühren dem Schuldner als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO zur Last fallen und gegen ihn festsetzbar sind, wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die Ansicht vertreten, hierbei handle es sich um Kosten des Gläubigers, die ihm nur anläßlich der Zwangsvollstreckung erwachsen und sie nur mittelbar betreffen. Zwangsvollstreckungskosten seien nur solche Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Vorbereitung oder des Betriebes der Vollstreckung gemacht würden. Der Vergleich habe aber das Ziel, die Zwangsvollstreckung zu verhindern (OLG Frankfurt am Main MDR 1973, 860; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 788 Rdnr. 13; Zimmermann, ZPO, S. 788 Rdnr. 17). Demgegenüber geht die vorherrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum davon aus, daß auch die Anwaltskosten für einen zur Vermeidung weiterer Zwangsvollstreckung geschlossenen Vergleich den Vollstreckungskosten zuzurechnen sind und grundsätzlich gemäß § 788 Abs. 1 ZPO festgesetzt werden können (KG Rpfleger 1981, 410; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO 11. Aufl., § 57 Rdnr. 27; Baumbach/Hartmann, ZPO 50. Aufl., § 788 Anm. 5 „Vergleich” mit zahlr. weit. Nachw.; Zeller/Stöben, ZPO 17. Aufl., § 788 Rdnr. 7, jedenfalls dann, wenn die Anwendung von § 98 ZPO durch entsprechende Vereinbarung ausgeschlossen worden ist). Dem schließt sich der Senat an. Wie das Kammergericht (a.a.O.; ebenso Schmidt Anm. zu OLG Frankfurt am Main MDR 1973, 860, 861) zu treffend ausgeführt hat, ist allgemein anerkannt, daß zu den, notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne des S. 91 Abs. 1 ZPO auch die Mehraufwendungen für eine Einigung zählen, die die Fortsetzung des Rechtsstreits und die Erwirkung einer gerichtlichen Entscheidung gerade erübrigt. Entsprechend sind als Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO nicht nur die Kosten für eine vom Vollstreckungsorgan tatsächlich durchgeführte Zwangsvollstreckung zu verstehen, vielmehr auch solche für Maßnahmen, die die weitere Zwangsvollstreckung entbehrlich machen.

Diese Kosten sind auch regelmäßig als notwendig anzusehen, da der Ratenzahlungsvergleich im Interesse beider Parteien geschlossen wird. Der Gläubiger braucht nicht länger auf den ungewissen Erfolg, von Vollstreckungsmaßnahmen zu hoffen, weil er erwarten darf, daß der Schuldner die zugesagten Ratenzahlungen einhalten wird. Umgekehrt ist dem Schuldner sehr daran gelegen, daß es zumindest vorläufig nicht zu einer sofortigen Zwangsvollstreckung wegen des vollen titulierten Betrages mit all ihren negativen Konsequenzen kommt.

Hiervon ist auch im vorliegenden Falle auszugehen. Wie dem Schreiben der Gläubigerin vom 21. August 1990 zu entnehmen ist, trat der Schuldner nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides an die Gläubigerin heran, um darzulegen, daß er nicht in der Lage sein würde, angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse die titulierte Schuld in einer Summe zu begleichen.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer 10/10-Vergleichsgebühr gegen den Schuldner sind hier erfüllt: Entgegen dem angefochtenen Beschluß beinhaltet die Vereinbarung vom 21. August/2. September 1990 einen Vergleich im Sinne des § 779 BGB. Ein Vergleich ist nämlich auch dann möglich, wenn die Verwirklichung eines Anspruches unsicher ist, § 779 Abs. 2 BGB (BGHZ 39, 60, 63). Die Ungewißheit der Anspruchsverwirklichung kann sich beispielsweise auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners oder auf den ungewissen Erfolg der Zwangsvollstreckung beziehen (Staudinger/Marburger, BGB 12. Aufl., § 779 Rdnr. 22). Die Vereinbarung der Parteien beinhaltet auch ein beiderseitiges Nachgeben, was Voraussetzung für die Annahme eines Vergleichs ist. Der Schuldner hat hier insbesondere durch die Abtretung des pfändbaren Teils seiner Lohn- oder Gehaltsansprüche und mit der Verpflicht...

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