Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Widerrufsrechts eines zuvor beendeten Verbraucherdarlehensvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts eines zuvor beendeten Verbraucherdarlehensvertrages.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 07.04.2016)

 

Tenor

1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 7.4.2016 werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 79 % und die Beklagte 21 %.

4. Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 65.000 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des Widerrufs zweier grundschuldgesicherter Darlehensverträge, die der Kläger zur Finanzierung des Erwerbs eines Einfamilienhauses aufgenommen hat.

1. Der Kläger schloss mit der Beklagten unter dem 6.2.2008 den Darlehensvertrag Nr ... 090 über einen Nettokredit von 122.000 Euro (Anl. B1). Dem Vertrag war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

Am 1.3.2008 schlossen die Parteien den weiteren Darlehensvertrag Nr ... 483 über einen Nettokredit von 78.000 Euro aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Anl. B2) mit folgender Widerrufsbelehrung:

Die den Verträgen jeweils beigefügte "Information für Verbraucher zum Darlehensvertrag" enthielt am Ende folgenden weiteren Hinweis:

Nach dem in erster Instanz unstreitig gebliebenen Sachvortrag des Klägers kamen die Verträge ohne einen persönlichen Kontakt zwischen ihm und der Beklagten zustande. Die Unterlagen erhielt der Kläger über einen von der Beklagten unabhängigen Berater, dem diese seinerseits von der Beklagten ausschließlich per Post übermittelt worden waren. Der Kläger meint, die Verträge seien deshalb ausschließlich über Fernkommunikationsmittel geschlossen worden.

Im Jahr 2012 löste der Kläger das Darlehen mit der Endnummer 483 über 78.000 Euro vorzeitig ab. In diesem Zusammenhang schloss er mit der Beklagten am 5.7.2012 eine Aufhebungsvereinbarung (Anl. B5), in deren Vollzug er an die Beklagte ein Aufhebungsentgelt in Höhe von 11.322,76 EUR zahlte.

Der Kläger persönlich widerrief mit Schreiben vom 5.12.2014 beide Darlehensverträge (Anl. B7).

Mit der Klage macht er geltend, die Verträge seien wirksam widerrufen. Die erteilten Belehrungen seien insbesondere in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist fehlerhaft. Da die Beklagte sich nicht an das Muster der BGB-InfoV gehalten habe, könnten die Belehrungen auch nicht als gesetzeskonform gelten. Die weiteren in der Information für Verbraucher beigefügten Hinweise zum Widerrufsrecht würden von den Widerrufsbelehrungen abweichen und seien verwirrend. Er begehrt in Bezug auf das Darlehen mit der Endnummer 090 die Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis gewandelt hat (Antrag 1a)). Ferner verlangt er im Wege der Stufenklage (Antrag 1b)) die Erteilung einer Abrechnung, aus der sämtliche von ihm gezahlten Beträge (Zins und Tilgung) mit Zahlungseingang hervorgehen, und auf Grundlage dieser Abrechnung die Zahlung eines Nutzungsersatzes in Höhe von 5 % p.a. auf sämtliche von ihm geleisteten Beträge seit deren Zahlungseingang.

In Bezug auf das Darlehen mit der Endnummer 483 macht er die Erstattung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.322,76 EUR nebst Prozesszinsen (Antrag 2) sowie - beide Darlehen betreffend - vorgerichtlicher nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.507,82 EUR nebst Prozesszinsen (Antrag 3) geltend.

Die Beklagte meint, die Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß, weil sie gemäß § 14 BGB-InfoV Vertrauensschutz genieße. In Bezug auf das Darlehen mit der Endnummer 483 stehe bereits die getroffene Aufhebungsvereinbarung dem Widerruf entgegen. Im Übrigen verstoße die Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben und erfülle insbesondere den Tatbestand der Verwirkung. Selbst bei wirksamem Widerruf des Darlehens mit der Endnummer 483 scheide eine Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung aus, soweit sie den Betrag in Höhe von 8.798,80 EUR an die KfW weitergeleitet habe. Insofern sei sie entreichert.

Hinsichtlich des Darlehens mit der Endnummer 090 hat die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Widerruf für wirksam hält, die Aufrechnung erklärt und zwar gegenüber einem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung erbrachter Zinsleistungen mit dem Anspruch auf Wertersatz für die Überlassung der Darlehensvaluta und gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von erbrachten Tilgungsleistungen mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta. Ferner hat sie sich mit einer Hilfswiderklage verteidigt, die unter der Bedingung erhoben ist, dass das Geric...

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