Leitsatz (amtlich)

Die in Werbung verwendete Bezeichnung eines Rechtsanwaltes als "Spezialist für Mietrecht" verstößt gegen §§ 7 I 2 BORA i.V.m. 4 Nr. 11 UWG, wenn der Rechtsanwalt nicht nachweisen kann, dass er - der dadurch ausgelösten Verkehrserwartung entsprechend - im Mietrecht über den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse verfügt und in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Bei gleichem Defizit ist die genannte Bezeichnung auch irreführend i.S.d. § 7 II BORA und der §§ 3, 5 UWG.

 

Normenkette

BORA § 7 Abs. 1-2; UWG §§ 3, 5

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 18.10.2007; Aktenzeichen 23 O 132/07 KfH)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Verfügungsklägerinnen wird das Urteil des Vorsitzenden der 3. Kammer für Handelssachen des LG Heilbronn vom 18.10.2007 - Az.: 23 O 132/07 - wie folgt abgeändert:

Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, welche hinsichtlich der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 an den Partnern zu vollstrecken ist, zu unterlassen, Werbung, insbesondere Anzeigen, zu schalten, in welcher Frau Rechtsanwältin A.B. als "Spezialistin für Mietrecht" bezeichnet wird.

Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

Streitwert für beide Rechtszüge: jeweils 30.000 EUR.

 

Gründe

A. Die Verfügungsklägerinnen machen gegen die Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

1. Die Verfügungsklägerinnen betreiben jeweils eine Rechtsanwaltskanzlei in S.H., die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 eine solche in Ö. Letztere eröffnete am 1.10.2007 eine Niederlassung in S.H. in Bürogemeinschaft mit dem Verfügungsbeklagten Ziff. 2.

Die Verfügungsbeklagten schalteten zwei gleichlautende, am 26.9. und 29.9.2007 in der örtlichen Presse erschienene Anzeigen, in denen die Kanzleibezeichnung der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 sowie darunter die Namen der in dieser tätigen Partner und sonstigen Rechtsanwälte sowie der Name des Verfügungsbeklagten Ziff. 2 aufgeführt waren. Den Namen der Rechtsanwälte waren dabei bis auf Rechtsanwältin A. B. (im Folgenden: Rechtsanwältin B.), die seit 1.1.2007 bei der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 als angestellte Rechtsanwältin tätig ist, die von diesen jeweils geführten Fachanwaltsbezeichnungen beigefügt. Rechtsanwältin B. wurde als "Spezialistin für Mietrecht" bezeichnet.

Die Verfügungsklägerinnen haben vorgetragen, die Bezeichnung von Rechtsanwältin B. als "Spezialistin für Mietrecht" verstoße gegen § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (im Folgenden: BORA) und sei auch irreführend i.S.v. § 5 UWG. Die Kenntnisse eines "Spezialisten" müssten über die eines Fachanwalts noch deutlich hinausgehen; zudem sei von diesem zu erwarten, dass er ein Inanspruchnahme auf anderen Rechtsgebieten weitgehend ablehne. Diese Anforderungen erfülle Rechtsanwältin B. nicht. Zudem führe die gewählte Bezeichnung zu einer unzulässigen Verwechslungsgefahr mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht".

Die Verfügungsbeklagten haben hingegen die Auffassung vertreten, die von Rechtsanwältin B. insbesondere während ihrer gut fünfjährigen Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung mit Anwaltszulassung für ein großes, in erheblichem Umfang Mietverhältnisse verwaltendes Unternehmen rechtfertigten die Führung der beanstandeten Bezeichnung. Rechtsanwältin B. sei damit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA sowohl in erheblichem Umfang auf dem Gebiet des Mietrechts tätig gewesen und habe in diesem auch besondere theoretische Kenntnisse erworben.

Im Übrigen wird auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2. Der Vorsitzende der 3. Kammer für Handelssachen beim LG Heilbronn hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, die Angabe in den beanstandeten Anzeigen, Rechtsanwältin B. sei "Spezialistin für Mietrecht", stelle keine unlautere und irreführende Werbung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 BORA und damit kein Fall des § 4 Nr. 11 UWG vor.

Es bestehe keine Verwechslungsgefahr mit einer Fachanwaltsbezeichnung, die nach § 7 Abs. 2 BORA zur Unzulässigkeit des Qualifizierungshinweises führen würde. Dies sehe auch die Rechtsanwaltskammer Stuttgart so, wenn wie hier der qualifizierende Hinweis nicht den vollständigen Inhalt einer Fachanwaltschaft abdecke. Es wäre schwer verständlich, wenn man annähme, dass Anwälte, die den Ratschlägen der Standesvertretung folgten, wettbewerbswidrig handeln würden. Einem kundigen Rechtssuchenden sei auch zuzutrauen, dass er einen einschlägig definierten Begriff wie den des Fachanwalts nicht mit einem anderen wie etwa dem des "Spezialisten" gleichsetze.

Wenn das OLG Nürnberg in der von den Verfügungsklägerinnen zitierten Entscheidung vom 20.3.2007 - 3 U 2675/06 (NJW 2007, 1984) meine, von einem "Spezialisten" werde erwartet, dass er über herausragende K...

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