Leitsatz (amtlich)

Die grundsätzlich in Betracht kommende Haftung des Herstellers eines Motors eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtfahrzeugs (hier: Skoda Superb Combi) nach §§ 826, 31 BGB kann bei dem Erwerb eines Fahrzeugs im April 2016 sowohl daran scheitern, dass sich das Verhalten des Herstellers im Verhältnis zu dem mittelbar geschädigten Erwerber zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) als sittenwidrig darstellt, als auch daran, dass im konkreten Fall erhebliche Zweifel an der vom Erwerber zu beweisenden Kausalität des - unterstelltermaßen sittenwidrigen - Verhaltens des Herstellers für den behaupteten Schaden bestehen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 831; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27; EGV 715/2007; StGB § 263; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 09.11.2018; Aktenzeichen 2 O 211/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 09.11.2018, Az. 2 O 211/18, abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 09.11.2018, Az. 2 O 211/18, wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 21.700,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom VW-Abgasskandal betroffenen, gebrauchten PKWs Skoda, Typ Superb Combi 2,0 TDI DSG, ..., Fahrgestellnummer ..., Erstzulassung 14.11.2012.

Der Kläger kaufte dieses gebrauchte Fahrzeug ... bei der F. GmbH & Co. KG, ..., am 08.04.2016 zum Preis von 21.700,00 EUR mit einem Kilometerstand von 70.800 (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten den Kaufvertrag gem. Anlage K 1 nebst zugehörigen Anlagen im Anlagenband Kläger).

Das Fahrzeug ist unstreitig mit einem Motor des Typs EA 189 (vgl. Bl. 46 und 53 f.) und mit einer Software ausgestattet, die die Einhaltung der nach der Typengenehmigung gem. Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für die Schadstoffklasse Euro 5 erforderlichen Grenzwerte für Auspuff- und Verdunstungsemissionen ausschließlich im Testzyklus gewährleistet. Die installierte Software steuert den Motor des Fahrzeugs und erkennt, ob es sich im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Dabei erfolgt die Motorsteuerung im Testlauf unter Laborbedingungen dergestalt, dass mittels einer Abgasrückführung eine Reinigung der Abgase erfolgt und im Ergebnis die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1). Demgegenüber ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine bzw. eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet, so dass im Betrieb dieses Abgasrückführungsmodus' die Emissionsgrenzwerte der o.g. Verordnung nicht eingehalten werden. Das Kraftfahrtbundesamt stellte fest, dass es sich bei der Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt, ordnete am 14.10.2015 den Rückruf aller betroffenen Fahrzeuge an und gab der Beklagten auf, die Fahrzeuge in den Zustand zu versetzen, den die öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorgeben. Die Beklagte entwickelte in der Folgezeit technische Maßnahmen, mit Hilfe derer der entsprechende Zustand erreicht werden soll, und erklärte ferner den öffentlichen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge. Es sollte ab Januar 2016 eine Software-Änderung in die betroffenen Fahrzeuge eingespielt werden mit dem Ziel, ohne Beeinträchtigung der Motorleistung, des Verbrauchs und der Fahrleistung die Abgasnormen zu erfüllen. Das Kraftfahrtbundesamt gab die technische Lösung frei.

Dem Kläger wurde daraufhin von der Beklagten, unter Einbeziehung der konzernangehörigen Hersteller, die Durchführung eines Software-Updates angeboten, mit dem laut Darstellung der Beklagten die illegale Abschalteinrichtung im Fahrzeug ohne nachteilige Folgen für dessen sonstige Eigenschaften oder Bauteile behoben werden sollte. Der Kläger kam dem am 15.08.2017 nach (vgl. Bl. 32, 50 und 57 Rückseite), meint allerdings, das Software-Update sei nicht geeignet (gewesen), den an seinem Fahrzeug bestehenden Mangel zu beseitigen; es führe vielmehr zu diversen Folgemängeln, u.a. in Gestalt eines Leistungsverlusts, erhöhten Kraftstoffverbrauchs, Erhöhung der Roh-Partikelemissionen, Erhöhung der CO2-Emmissionen (vgl. Bl. 32).

Mit Anwaltsschreiben vom 19.06.2018 (Anl. K 27 im Anlagenband Kläger) machte der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB geltend und forderte die Beklagte zur Rüc...

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