Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 24.08.2019; Aktenzeichen 16 O 390/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.05.2022; Aktenzeichen VI ZR 156/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.8.2018, Az.: 16 O 390/17, werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu EUR 25.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

Der Kläger begeht die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm Schadensersatz auf deliktischer Grundlage im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs zu leisten, dessen Motor von der Beklagten hergestellt wurde. Zudem begehrt er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

1. Der Kläger erwarb von Herrn T. S. am 28.8.2015 einen gebrauchten Pkw Audi A 5 Sportback 2.0 TDI, Ez: 10.1.2014. Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Kaufes einen Kilometerstand von 25.368 km aus. Der Kaufpreis betrug EUR 33.500,00 (Anl. K1). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet.

Dieser von der Beklagten hergestellte Motor des Fahrzeugs ist von dem sog. Dieselskandal betroffen. Das Fahrzeug verfügte im Zeitpunkt des Inverkehrbringens ebenso wie im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger über eine EG-Typgenehmigung. Mit dieser wurde es in die Schadstoffklasse EURO 5 eingestuft. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung. Diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Sie schaltet in den Modus 1, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird; bei diesem Modus kommt es zu einem verminderten Ausstoß von Stickstoffoxiden (NOx). Außerhalb des NEFZ - unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr - schaltet die Software auf den Modus 0 und betreibt das Fahrzeug mit einem erhöhten Ausstoß von Stickstoffoxiden.

Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf betroffener Fahrzeuge an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Das KBA ordnete mit Bescheid vom 11.12.2015 gegenüber der AUDI AG an, dass die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen seien (Anl. B1). Das KBA erließ sodann für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eine Freigabebestätigung, nach welcher ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs herzustellen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, Schadensersatz für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren, zu leisten. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten beruhe auf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sowie einem Verstoß gegen ein Schutzgesetz. Zudem begehrt er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte trug vor, dass die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung in ihrer Person nicht gegeben seien. Unabhängig davon lasse sich jedweder Schaden durch das von der zuständigen Typgenehmigungsbehörde geprüfte und freigegebene Softwareupdate vollständig beseitigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger Schadenersatz für Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeugs resultieren.

a) Es hielt den Feststellungsantrag des Klägers für zulässig. Das Feststellungsinteresse fehle nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage. Denn in Anbetracht möglicher künftiger und weitergehender Nachteile für den Kläger sei ihm eine genaue Bezifferung des Schadens noch nicht möglich. Der Schadenersatzanspruch bestehe auch nicht zwingend in Form einer Rückabwicklung des Vertrages. Vielmehr könne dieser auch bestehen bleiben und der Kläger nur Ersatz der durch die unerlaubte Handlung entstandenen Nachteile verlangen.

b) Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Der Kläger habe einen Schaden erlitten, der durch ein Verhalten der Beklagten entstanden sei, das als sittenwidrig zu qualifiz...

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