Leitsatz (amtlich)

Der Architekt, dem die Leistungsphasen 8 und 9 übertragen sind, muss den Bauherrn nicht über Einzelheiten einer gegen einen Sonderfachmann (hier: Statiker) drohenden Verjährung belehren. Ist eine Verantwortlichkeit des Statikers nicht fern liegend und ist eine Verjährung möglicher Ansprüche gegen diesen aber denkbar, so hat der Architekt den Bauherrn auf das Risiko einer Verjährung hinzuweisen und die Einholung von Rechtsrat dringlich zu empfehlen, statt einem weiteren Nachbesserungsversuch, dem keine verjährungshemmende oder gar unterbrechende Wirkung zukommt, das Wort zu reden. Verstößt er gegen diese Beratungspflicht, macht er sich schadensersatzpflichtig und hat im Falle der Mängelverantwortlichkeit des Statikers und des Eintritts der Verjährung gegen diesen dem Bauherrn für den Entgang des richtigen Haftenden im Umfang dessen Haftung selbst einzustehen.

 

Normenkette

BGB § 635; HOAI § 15

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 9 O 188/01)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Vorsitzenden der 9. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 28.9.2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 16.700 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Sicherheiten können auch durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische schriftliche Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 185.000 Euro.

 

Tatbestand

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das LG entschied durch Grundurteil einschränkungslos zu Gunsten der Kläger. Es sah die vollumfänglich beauftragten Beklagten in zweifacher Hinsicht als haftbar an; sie hätten ihrer Koordinierungspflicht nach Lph 5 zuwidergehandelt, indem sie das notwendige Zusammenspiel von Außenwandstärken und auflastenden und druckabfangenden Decken mit zurückgesetzter Gebäulichkeit (Penthaus) und den Einsatz von Dehnfugen pflichtwidrig mit dem Statiker nicht abgeklärt hätten, obgleich die Statikerdeckenvorgaben ihren eigenen Planungen widersprochen hätten und auffällig dünn ausgefallen wären. Zum anderen seien sie entspr. der Betreuungspflicht nach Lph 9 verpflichtet gewesen, bei der in unverjährter Zeit erfolgten Besprechung am 8.7.1994 auf grundlegende Klärung und Anspruchsicherung hinzuwirken, zumal als Ursache schon damals die mangelnde Deckenstärke in Rede gestanden habe, statt eine nur provisorische Maßnahme zu befürworten, die nicht gegriffen und deren Einschub den Anspruchsverlust gegen den Statiker herbeigeführt habe. Dem Grundanspruch stünde auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, zumal Ziff. 10.2 der AVA (5 Jahre ab Beendigung der Leistungsphase 8), gem. § 11 Nr. 10 f. AGBG unwirksam sei. Ein quotenmäßiger Abschlag wegen der Mitverantwortung des von den Klägern selbst bestellten Statikers finde nicht statt.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, welche rügen, dass die Entscheidung schon an einer Unzulässigkeit des Grundurteilsausspruchs leide. Das Verfahren werde von drei Streitgegenständen (Koordinationsfehler/Evidenz des Statikerfehlers, ungesicherte Sanierungsempfehlung und unterlassener Hinweis auf Anspruchssicherung gegen Statiker) bestimmt. Ohne Klärung einer Anspruchsreihenfolge habe das LG nur einzelne Streitgegenstände verbeschieden. Ohne Verbescheidung aller Teilansprüche sei aber ein Grundurteil nicht zulässig. Der Sache nach liege ein Koordinierungsfehler nicht vor, weil die Beklagten auf die Vorgaben des Statikers, eines Sonderfachmannes, hätten vertrauen dürfen. Die Fehlsamkeit der falschen Tragwerksplanung habe sich keineswegs aufdrängen müssen, zumal komplexe Wirkungszusammenhänge betroffen gewesen seien und i.Ü. auch der Prüfstatiker keine Beanstandungen ausgesprochen habe. Dessen Kompetenz müsse der Architekt nicht übertreffen. Die Besprechung vom 8.7.1994 habe erkennen lassen, dass die Sanierungsmaßnahme bloß einen Versuch darstelle, nur ein Gutachten könne Gewissheit bringen. Ein solches hätten die Kläger aber aus Kostengründen gescheut. Der Statiker habe vor Ort beteuert, sein Gewerk noch einmal kontrolliert zu haben, ein Fehler scheide aus. Daran habe niemand gezweifelt. Doch selbst wenn die Beklagten Versäumnisse des Statikers angenommen und Ansprüche der Bauherrschaft gegen diesen in Betracht gezogen hätten, wären sie nur auf die dreijährige Verjährungsfrist im Statikervertrag gestoßen, die damals schon längst abgelaufen gewesen sei. Die Beklagten beantragen:

Das Grundurteil des LG Stuttgart – 9 O 188/2001 – vom 28.9.2001 wird abgeändert und die Klage abgewiesen, hilfsweise, das Urteil des LG wird abgeändert und festgestellt, dass der Klagean...

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