Leitsatz (amtlich)

1.

Ansprüche von Zwangsarbeitern auf Schmerzensgeld und Vergütungszahlung, die erst 1996 gegenüber den Beschäftigungsunternehmen gerichtlich geltend gemacht wurden, sind regelmäßig verjährt.

2.

Die Sperrwirkung des Artikel 5 Absatz 2 des Londoner Schuldenabkommens ist mit dem Inkrafttreten des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland („Zwei – Plus – Vier – Vertrag”) vom 12.09.1990 entfallen.

3.

Der Lauf der Verjährungsfrist war nicht bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.05.1996 (BVerfGE 94, 315 ff) zur Konkurrenz von völkerrechtlichen Reperationsansprüchen und Individualansprüchen gehemmt.

4.

Die Berufung auf die eingetretene Verjährung ist in solchen Fällen regelmäßig kein Verstoß gegen Treu und Glauben.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 25 O 173/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 25.01.2000 (25 O 173/99) wird

zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. DM 5.000,– abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Sicherheit kann durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unkündbare und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

4. Die Beschwer der Kläger übersteigt DM 60.000,

Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens:

DM 77.818,–.

 

Tatbestand

Die Kläger machen mit ihrer am 12.05.1999 eingereichten Klage gegenüber der Beklagten Ersatzansprüche für geleistete Zwangsarbeit geltend.

Der Kläger Ziff. 1 und der während des Verfahrens verstorbene Kläger Ziff. 2 sind bzw. waren dänische Staatsangehörige. Im Rahmen des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Diktatur betrieben sie Sabotageakte gegen die Wehrmacht. Aufgrund dessen wurden sie im August 1941 verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde später in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Die Kläger wurden in das Zuchthaus B … verbracht.

Die Beklagte unterhielt im Zuchthaus B … eine Werkstatt. Dort mußte der Kläger Ziff. 1 in der Zeit vom 20.04.1944 bis zum 20.04.1945 und der Kläger Ziff. 2 in der Zeit vom 15.04.1944 bis zum 15.04.1945 Zwangsarbeit leisten. Alle Zuchthausinsassen mußten täglich 12 Stunden in der Werkstatt der Beklagten arbeiten. Sie wurden mit nur 250 Gramm Brot und etwas Suppe täglich ernährt. Eine Vergütung für ihre Tätigkeit haben sie nicht erhalten.

Die Kläger sind der Auffassung, daß sie durch die Heranziehung zur Zwangsarbeit, bezüglich derer sie von der Beklagten angefordert worden seien, in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden seien. Hierfür schulde die Beklagte jedem der Kläger ein Schmerzensgeld i. H. v. mindestens jeweils DM 10.000,–, Zudem sei die Beklagte verpflichtet, die ihr gegenüber geleistete Zwangsarbeit mit DM 28.909,09 je Kläger zu vergüten.

Die Ansprüche der Kläger seien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verjährt. § 852 Abs. 1 BGB sei vorliegend nicht anzuwenden. Die Entschädigungsansprüche seien völkerrechtlichen Ursprungs und unterlägen daher nicht der Verjährung.

Außerdem sei die Verjährung bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.05.1996 (BVerfGE 94, 315 = NJW 1996, 2717) gehemmt gewesen. Bis dahin sei die Rechtslage unklar gewesen. Erst aufgrund dieser Entscheidung sei für die Kläger erkennbar geworden, daß es in solchen Fällen Schadenersatzansprüche von einzelnen, gestützt auf das innerstaatliche Recht, gebe, während demgegenüber keine Regel des Völkergewohnheitsrechts existiere, wonach Ansprüche aus Kriegshandlungen exklusiv nur von Staaten gegenüber Staaten geltend gemacht werden können.

Die Unklarheit der Rechtslage folge auch daraus, daß der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12.09.1990 (künftig Zwei-Plus-Vier-Vertrag) nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringe, daß er eine endgültige Regelung der Reparationsfrage, wie sie Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens (künftig LSA) für die Möglichkeit der Geltendmachung entsprechender Ansprüche voraussetze, darstelle. Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag habe aufgrund seiner unklaren Fassung bei potentiellen Gläubigern nicht das unmittelbare Bewußtsein auslösen können, daß sie nunmehr entsprechende Individualansprüche geltend machen können.

Zudem seien die Kläger Ausländer und erst seit dem Frühjahr 1999 durch deutsche Anwälte vertreten. Sie seien erst durch Presseveröffentlichungen im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darauf aufmerksam geworden, daß sie nunmehr Ansprüche geltend machen könnten.

Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung verstoße außerdem gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Seitens der Bundesregierung sei durch den Abschluß des Zwei-Plus-V...

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