Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Berufung für den Fall des Übergangs von einer erstinstanzlich erhobenen Beschlussanfechtungs-/nichtigkeitsklage in Analogie zu aktienrechtlichen Vorschriften zu einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse nach § 256 Abs. 1 ZPO in zweiter Instanz.

2. In der handelsrechtlichen Personengesellschaft kann der Streit, ob jemand der Gesellschaft angehört, ob insbesondere die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters wirksam war, nicht mit der Gesellschaft, sondern nur im Prozess mit den Mitgesellschaftern ausgetragen werden; auszutragen ist ein solcher Streit im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO, nicht im Wege der Beschlussanfechtungs-/nichtigkeitsklage in Analogie zu aktienrechtlichen Vorschriften.

3. Zu den Voraussetzungen einer Parteierweiterung in der Berufungsinstanz und der Verwertung erstinstanzlich gewonnener Beweisergebnisse.

4. Zu den Voraussetzungen an eine gesellschaftsvertragliche Regelung, nach der ein Beschluss der Gesellschafter über die Ausschließung eines Gesellschafters an die Stelle des nach § 140 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehenen Ausschließungsprozesses tritt.

5. Zu den Voraussetzungen an eine gesellschaftsvertragliche Erleichterung der Ausschließung eines Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft gegenüber dem in §§ 140 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 und 2 HGB vorgesehenen Maßstab.

6. Zu den Voraussetzungen der Ausschließung eines Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft nach §§ 140 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 und 2 HGB.

 

Normenkette

HGB § 133 Abs. 1-2, § 140 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 07.02.2012; Aktenzeichen 5 O 76/09 KfH)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hechingen vom 7.2.2012 - 5 O 76/09 KfH - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird im Verhältnis des Klägers zu den Beklagten Ziff. 2 bis 9 festgestellt, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten Ziff. 1 vom 7.9.2009 gefassten Beschlüsse, durch welche der Kläger aus der Beklagten Ziff. 1 ausgeschlossen (TOP 2), ihm Hausverbot für die Geschäftsräumlichkeiten erteilt sowie ihm die Rückgabe sämtlicher Schlüssel, Unterlagen, Datenträger der Gesellschaft auferlegt wurde (TOP 3), unwirksam sind.

Es wird im Verhältnis des Klägers zu den Beklagten Ziff. 2 bis 9 ferner festgestellt, dass der Kläger weiterhin Gesellschafter der Beklagten Ziff. 1 ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz. Von den im Berufungsverfahren angefallenen Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger sowie die Beklagten Ziff. 2 bis 9 jeweils 1/9, die im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 trägt der Kläger, die Beklagten Ziff. 2 bis 9 tragen ihre im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten Ziff. 2 bis 9 dürfen die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des gegen den jeweiligen Beklagten zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn durch die Beklagte Ziff. 1 vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte Ziff. 1 vor der Vollstreckung Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des von ihr gegen den Kläger zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens: Bis 110.000 EUR.

 

Gründe

A. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage dagegen, dass er durch Gesellschafterbeschlüsse vom 7.9.2009 aus der Beklagten Ziff. 1, der Y GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG), ausgeschlossen worden, ihm Hausverbot für die Geschäftsräumlichkeiten auferlegt sowie die Rückgabe diverser Gegenstände aufgegeben worden ist.

Der Kläger und die Beklagten Ziff. 3 bis 9 sind bzw. waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Kommanditisten der KG, insbesondere der Kläger mit einem Kommanditanteil von 68,755 % sowie die Beklagte Ziff. 7 mit einem Kommanditanteil von 25,5 %, wobei sich die übrigen Kommanditanteile auf die Beklagten Ziff. 3 bis 6 sowie 8 und 9 verteilten. Komplementärin ohne Kommanditanteil sowie geschäftsführende Gesellschafterin der KG war und ist die X Verwaltungsgesellschaft mbH, die Beklagte Ziff. 2 (im Folgenden: GmbH). Jedenfalls bis zum 7.9.2009 waren einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 2 die Beklagte Ziff. 7, Frau E. M., sowie der Kläger.

Nachdem es seit etwa der Jahresmitte bzw. der zweiten Jahreshälfte 2008 zu sich im Laufe der Zeit intensivierenden Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen insbesondere zwischen dem Kläger einerseits sowie andererseits der Mitg...

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