Leitsatz (amtlich)

Die Zeitungswerbung eines Elektrogroßmarktes "ohne 19 % Mehrwertsteuer", die nur für einen einzigen und mit dem Erscheinen der Werbung gleichen Tag gilt, ist unlauter, weil sie i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit unangemessen unsachlich zu beeinflussen, da sie einen erheblichen Teil von Adressaten der Wahrnehmung von Vergleichsmöglichkeiten für Preis- und/oder Qualität beraubt.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 28.09.2007; Aktenzeichen 33 O 68/07 KfH)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 31.03.2010; Aktenzeichen I ZR 75/08)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 33. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 28.9.2007 (AZ.: 33 O 68/07 KfH) werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreites erster Instanz tragen die Klägerin ¼ und die Beklagten je ¼. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungsanspruch durch Sicherheitsleistung i.H.v. 75.000 EUR und diejenige aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 vom Hundert des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leitstet, welche bei einer Vollstreckung aus dem Unterlassungsanspruch 75.000 EUR und bei einer solchen aus dem Kostenpunkt 120 vom Hundert des beizutreibenden Betrages beträgt.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung jeder Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des gegen sie durch jene vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 EUR.

 

Gründe

I. Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat vorab nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 33. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 28.9.2007 (GA 55/65 [vorgeheftet]) Bezug.

Das LG hat der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt:

Mit ihrem Antrag vom 3.9.2007 habe die Klägerin die Klage nicht teilweise zurückgenommen, sondern lediglich ihr bereits anfänglich eindeutiges Klagebegehren klargestellt.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der klagebefugten Klägerin zu, weil die beanstandete Werbung unlauter i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG sei. Die vom LG auf LGU 7/8 näher dargelegten, nach Wegfall des Rabattgesetzes in Bezug auf Werbung mit Preisnachlässen strengeren Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift lägen vor. Die Rabattaktion sei ohne zwingenden Grund zeitlich stark begrenzt gewesen. Deshalb sei dem Verbraucher nicht die erforderliche Zeit geblieben, das Angebot zu prüfen und Vergleichsangebote einzuholen. Das Zusammenwirken der Ermäßigung durch einen ungewöhnlichen Preisnachlass von 19 % auf die beworbenen Warengruppen und der zeitlichen Befristung führe vorliegend zur Wettbewerbswidrigkeit, wobei die Kaufentscheidung auch durch eine gewisse Intransparenz beeinflusst werde, die ihrerseits gerade Folge des bewusst angestrebten oder in Kauf genommenen unnötigen Zeitdruckes sei. Dem Käufer, der ein entsprechendes Produkt suche, erscheine das beworbene Angebot als besonders günstig, und er nehme an, ein solches Angebot kehre nicht so schnell wieder, weil es von einem Discounter stamme, welcher schon regelmäßig mit Tiefstpreisen für sein Warenangebot werbe. Ein Verbraucher, der während des Tages von diesem Angebot erfahre, müsse sich, ohne sich vorher ausreichend informieren zu können, in das Geschäftslokal der Beklagten begeben und sei dann schon rein zeitlich nicht mehr in der Lage, sich anderweitig zu informieren. Einem Berufstätigen blieben um das an einem einzigen Werktag geltende Angebot wahrnehmen zu können, nach Dienstschluss weniger als sechs Stunden Zeit. Auf nicht Berufstätige oder Personen, die an diesem Tag Urlaub hätten, sei nicht abzustellen, da sich die Werbung auch an berufstätige Verbraucher richte. Weder telefonisch noch über das Internet könne sich der berufstätige Verbraucher rechtzeitig über Vergleichsangebote informieren. Discounter seien telefonisch häufig nicht erreichbar und eine Internetrecherche am Arbeitsplatz sei vielen Berufstätigen nicht gestattet. Außerdem gebe das Internetangebot (K 13) keinen zureichenden Aufschluss. Im Zusammenspiel mit der fehlenden vorherigen Ankündigung sei das Angebot in seiner Kombination aus Anlockwirkung und Zeitdruck geeignet, den Verbraucher zu veranlassen, trotz der in der Regel erforderlichen weiteren Informationen einen der beworbenen Artikel quasi blind zu kaufen. Diese Werbung sei geeignet, den Markt nicht nur unerheblich zu beeinflussen, was bei einer unangemessenen, unsachlichen Einflussnahme i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG stets zu bejahen sei.

Ein Fall des § 4 Nr. 3 UWG liege nicht vor.

Der Hinweis der Klägerin auf § 5 Abs. 4 UWG verkenne den Umfang der diesem Hauptsacheverfa...

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