Leitsatz (amtlich)

Eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit (gem.E. 1.3 AKB 2008) kann auch vorliegen, wenn die Voraussetzungen des Straftatbestandes § 142 StGB nicht erfüllt sind.

 

Normenkette

VVG § 31; AKB 2008 E. 1.3; StGB § 142

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 20.06.2014; Aktenzeichen 4 O 25/14 Mo)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Heilbronn - 4 O 25/14 Mo - vom 20.6.2014 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 7.000 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen aufgrund eines Anpralls an eine Mauer vom 11.7.2013.

Für sein Fahrzeug unterhielt der Kläger bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500 EUR. Dem Vertrag lagen die AKB 2008 zugrunde, in denen es u.a. heißt:

"E Welche Pflichten haben Sie im Schadenfall?

E.1 Bei allen Versicherungsarten

Anzeigepflicht

E.1.1 Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadenereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen.

...

Aufklärungspflicht

E.1.3 Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Sie haben unsere für die Aufklärung des Schadenereignisses erforderlichen Weisungen zu befolgen.

...

E.6 Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.6.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.6.2 Abweichend von E.6.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen."

Der Kläger befuhr am 11.7.2013 mit seinem Fahrzeug - einem ... - die B 27 von ... kommend in Richtung ... Gegen 2.35 Uhr kam er von der Straße ab und streifte mit der rechten Fahrzeugseite eine Betonmauer. Am 19.7.2013 meldete sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der zuständigen Polizeidienststelle.

Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Regulierungsbegehren des Klägers auf eine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit nach E. 1.3 AKB 2008 (vgl. Schreiben vom 22.10.2013 - Anlage K 2 = GA I 45).

In erster Instanz hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, er sei wegen einer momentanen Unaufmerksamkeit von der Fahrbahn abgekommen. Anschließend habe er noch einige Zeit am Kollisionsort gewartet. Wegen Dunkelheit habe er keine weitere Schäden außer demjenigen am versicherten Fahrzeug feststellen können; daher sei er ohne weiteres Zuwarten nach Hause gegangen. Es sei kein relevanter Fremdschaden entstanden, seiner Aufklärungsobliegenheit sei er durch die Schadenmeldung vom 18.8.2013 gegenüber der Beklagten nachgekommen. Aus dem Unfallereignis sei die Beklagte daher verpflichtet, den entstandenen Schaden von 7.000 EUR (Wiederbeschaffungswert abzgl. erzieltem Restwert und Selbstbeteiligung) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 729,23 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, der Kläger habe die ihn treffende Aufklärungsobliegenheit arglistig verletzt. Er habe insbesondere keine ausreichende Zeit an der Unfallstelle gewartet, nachdem die Polizei bereits um 2.50 Uhr an der Unfallstelle gewesen sei. Möglicherweise habe er unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden. Der Kläger habe überdies - sowohl gegenüber der Polizei als auch gegenüber ihr - sehr spät Angaben zum Unfallgeschehen gemacht.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des dortigen Urteils verwiesen.

Das LG Heilbronn hat mit Urteil vom 20.6.2014, das dem Klägervertreter am 26.6.2014 zugestellt wurde (GA I 125), die Klage abgewiesen. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes aufgrund des Kaskoversicherungsvertrages. Die Leistungspflicht der Beklagten sei wegen vorsätzlicher, arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach E. 1 AKB 2008 i.V.m. § 31 VVG ausgeschlossen. So habe der Kläger gegen die Obliegenheit nach E. 1.3 AKB 2008 verstoßen, auch ein Verstoß nach E. 1.1 AKB 2008 liege nicht fern. Diesem sei an einer unverzüglichen Aufklärung des Unfalles nicht gelegen gewesen. Er habe sich erst am 19.7.2013 b...

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