Leitsatz (amtlich)

Zur Schutzwirkung des § 407 Abs. 1 BGB bei Zahlung des Schuldners an den bisherigen Gläubiger nach Abtretungsanzeige und Aufforderung des Zendenten, wieder an ihn zu leisten - Abgrenzung zu OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1270.

 

Normenkette

BGB §§ 407, 409

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 04.04.2008; Aktenzeichen 11 O 2/08 KfH)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Ulm - Einzelrichter - vom 4.4.2008 - Geschäftsnummer 11 O 2/08 KfH - abgeändert:

Der Vollstreckungsbescheid des AG Hünfeld vom 17.12.2007 - 07-1609484-3-0 - wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin EUR 10.000 zzgl. Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 6.002,46 seit 17.5.2007 und aus EUR 3.997,54 seit 27.5.2007 zzgl. vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. EUR 651,80 zu bezahlen.

Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin vorab EUR 650,-, die übrigen Kosten trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 10.000,01 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, verlangt aus abgetretenem Recht der - inzwischen insolventen - Streitverkündeten Fa. D. GmbH von der Beklagten den Kaufpreis für Warenlieferungen i.H.v. EUR 10.000,01- sowie Ersatz vorgerichtlicher Kosten.

Die Streitverkündete hatte die Abtretung auf den streitbefangenen Rechnungen vom 13.04. und 23.4.2007 offengelegt.

Nachdem die Streitverkündete mit Schreiben vom 21.6.2007 (B 2, Bl. 45) mitgeteilt hatte

"Wir sind ab sofort nicht mehr Mitglied bei der a... factoring GmbH.

Bitte zahlen Sie Ihre offenen und auch die künftigen Rechnungen auf eines der nachfolgenden Konten ...",

zahlte die Beklagte an die Streitverkündete bzw. verrechnete mit Gegenansprüchen.

Unter Hinweis darauf, diese Leistung sei Schuld befreiend gewesen, verweigert die Beklagte eine (erneute) Zahlung an die Klägerin.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, meint, ihre Forderung sei nicht durch Leistung der Beklagten an die Streitverkündete erloschen und beantragt, unter Abänderung des am 4.4.2008 verkündeten Urteils des LG Ulm, Aktenzeichen 11 O 2/08 KfH, den Vollstreckungsbescheid vom 17.12.2007 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung eines Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der form- und fristgerechte Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid hat in der Sache im Wesentlichen keinen Erfolg.

Die Beklagte ist als Gesamtschuldnerin neben ihren, im Verfahren 13 U 76/08 beklagten persönlich haftenden Gesellschaftern gem. §§ 433 Abs. 2, 398 BGB aus abgetretenem Recht der Streitverkündeten zur Zahlung des mit Rechnungen vom 13.4. und 23.4.2007 berechneten Kaufpreises verpflichtet, soweit dieser i.H.v. 10.000 EUR an die Klägerin abgetreten wurde.

1. Die Klägerin ist Forderungsinhaberin geworden. Die Streitverkündete hat ihre Kaufpreisforderungen auf der Grundlage des Factoring-Vertrages (K 6) unstreitig an die Klägerin abgetreten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung im Rahmen des echten Factoring bestehen nicht und werden von der Beklagten auch nicht mehr geltend gemacht.

Die Klägerin ist Inhaberin der Forderung geblieben, da diese unstreitig im Zuge der Beendigung der Geschäftsbeziehungen nicht an die Streitverkündete rückabgetreten wurde.

2. Die Forderung der Klägerin ist nicht durch die Zahlung der Beklagten an die Streitverkündete erloschen (§ 362 BGB).

Grundsätzlich kann mit Schuld befreiender Wirkung nur an den berechtigten Forderungsinhaber geleistet werden. Dies war im Zeitpunkt der Zahlung der Beklagten nicht die Streitverkündete, sondern die Klägerin. Der Leistung der Beklagten an die Streitverkündete kommt im Verhältnis zur Klägerin auch nicht ausnahmsweise Erfüllungswirkung zu, da sie - außerhalb des Schutzbereichs der §§ 407, 409 BGB und ohne sich auf einen sonstigen Rechtsscheintatbestand berufen zu können - auf eigenes Risiko an die Streitverkündete als den falschen, da nur vermeintlichen Gläubiger geleistet hat.

2.1 Um einen Fall der direkten Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB geht es vorliegend nicht.

Nach dieser Vorschrift muss der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung kannte.

§ 407 schützt das Vertrauen des Schuldners darauf, dass sein Altgläubiger nach wie vor der (verfügungsbefugte) Gläubiger der Forderung ist, obwohl dieser tatsächlich nicht mehr Rechtsinhaber ist (Roth in MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2007, § 407 Rz. 1; § 408 Rz. 1). Dieses Vertrauen wird bis zur positiven Kenntnis des Gegenteils geschützt, wobei grundsätzlich ...

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