Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung (Wettbewerbsrecht)

 

Leitsatz (amtlich)

1.

a) Die Werbung eines Rechtsanwalts unterliegt dem Sachlichkeitsgebot (§ 43 b BRAO), diese Einschränkung ist verfassungskonform. Ein reines Werturteil in Form einer subjektiven Fremdeinschätzung überschreitet deshalb die Grenzen einer zulässigen Anwaltswerbung.

b) Die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät, die einer an die breite Öffentlichkeit gerichteten Zeitungsanzeige die blickfangmäßig herausgestellte Aussage voranstellen

„Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wird Anwälte der Gegenseite sind”

handeln deshalb standes- und auch wettbewerbswidrig.

2.

Kennzeichnet eine Rechtsanwaltskanzlei ihre fachliche Ausrichtung in ihrer Werbung mit der Angabe schlagwortartiger sog. „Kompetenzfelder” ist ihr dies nicht untersagt. § 7 BORA regelt nämlich ausschließlich die personenbezogene Benennung von Tätigkeitsschwerpunkten, gilt aber nicht für Hinweise auf die fachliche Ausrichtung einer Rechtsanwaltssozietät.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; BRAO §§ 43, 43b; BORA §§ 6-7; UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 2 KfHO 95/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 05.12.2000 teilweise

abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder – primär – Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen für anwaltliche Dienstleistungen in Werbeanzeigen nach Art der im Tatbestand abgebildeten Anzeige mit der blinkfangmäßig herausgestellten Aussage

„Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen.

Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind.”

zu werben.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts wird

zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Rechtsstreits in beiden Instanzen:

50.000 DM.

Beschwer des Klägers wie auch des Beklagten:

jeweils unter 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien sind jeweils Seniorpartner zweier Anwaltskanzleien. Aus den benutzten Briefbögen ergibt sich, daß in der Kanzlei des Klägers vier Rechtsanwälte, in der Kanzlei des Beklagten und den mit ihr verbundenen Kanzleien in Deutschland und im Ausland über 100 Anwälte beschäftigt sind.

In der Ausgabe „Handelsblatt – News am Abend” vom 08.06.2000 befand sich auf der letzten Seite folgende ganzseitige Anzeige der Kanzlei des Beklagten:

Bei dieser Ausgabe der Zeitung handelt es sich um die aktualisierte Kurzausgabe der bekannten Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”, die abends in den Maschinen der Lufthansa an die Passagiere verteilt wird.

Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, der Text im linken, oberen Teil der Anzeige in Verbindung mit der blickfangmäßig herausgestellten Aussage „Es gibt Unternehmen …” sei eine unsachliche Werbung; darüber hinaus verstoße die Aufzählung der Kompetenzfelder im unteren linken Teil der Anzeige gegen die Regelung des § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), was dazu führe, daß die Werbung gegen die guten Sitten des Wettbewerbs (§ 1 UWG) verstoße und deshalb zu unterlassen sei.

Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt,

es dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

  1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen für anwaltliche Dienstleistungen in ganzseitigen, grafischen auffällig gestalteten Werbeanzeigen nach Art der als Anlage zu den Klaganträgen eingeblendeten Anzeige mit der blickfangmäßig herausgestellten Aussage „Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind”, zu werben, insbesondere, wenn in solchen Werbeanzeigen wörtlich oder sinngemäß folgende Werbeaussagen

    • daß uns immer wieder Achtung entgegengebracht wird, mag an fachlicher Kompetenz oder
    • an überdurchschnittlichem Engagement oder
    • an breit gestreutem Know-How auf unterschiedlichen Rechtsfeldern liegen oder

      alles in allem eine Menge Gründe, warum man uns zu den profiliertesten international tätigen Kanzleien in Deutschland zählt

    enthalten sind;

  2. In Zeitungsanzeigen mit der Angabe von Rechtsgebieten zu werben, auf denen er oder mit ihm in Sozietät verbundene Rechtsanwälte besondere Kompetenzen beanspruchen, ohne diese Rechtsgebiete als „Tätigkeitsschwerpunkte” oder „Interessenschwerpunkte” zu bezeichnen, insbesondere, wenn solche Rechtsgebiete als „Kompetenzfelder” bezeichnet werden.

Seinen Klagabweisungsantrag hat der Beklagte vor dem Landgericht damit begründet, er halte die Werbung seiner Kanzlei nicht für unsachlich. Die Aufzählung der Kompetenzfelder verstoße nicht gegen die Standesrichtlinien, wenn diese im Lichte der von Artikel 12 GG garantierten Berufsfreiheit ausgelegt würden. Im übrigen hat er gemeint, daß auch ein even...

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