Leitsatz (amtlich)

1. Das französische Insolvenzrecht gestattet dem Insolvenzverwalter, den Insolvenzschuldner mit der Druchsetzung eines Anspruchs, der zur Insolvenzmasse gehört, zu ermächtigen.

2. Vor Geltung der EuInsO entfaltet ein französisches Insolvenzverfahren lediglich Wirkung in Frankreich und erfasste im Ausland gelegenes Vermögen nicht.

3. Soweit nach dem bis 1994 geltenden französischen Insolvenzrecht Forderungen - auch solche, die grundbuchrechtlich gesichert waren - als erloschen galten, wenn sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist im Insolvenzverfahren angemeldet wurden, verstieß dies im Blick auf im Ausland lebende Gläubiger, denen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbekannt war, gegen den ordre publik.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 21 O 615/2004)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 17.5.2006 - 21 O 615/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Streitwert der Berufung: 92.385,15 EUR.

 

Gründe

I.1. Über das Vermögen des heute in R. (Rumänien) wohnhaften Klägers, der in den Jahren nach 1985 in Südwestfrankreich im Bereich von P. zusammen mit seiner Ehefrau ein Weingut betrieb, ist seit 1993 in Frankreich ein Insolvenzverfahren rechtshängig, zunächst in der Form des Sanierungsverfahrens französischen Rechts, seit 1997 in der Form des regulären Insolvenzverfahrens. Zuständiges Gericht in Frankreich ist das Insolvenzgericht in B. Auch die Ehefrau des Klägers unterliegt - sie seit 1992 - einem durch das genannte Gericht angeordneten Sanierungsverfahren, das mit dem Verfahren über das Vermögen des Klägers 1997 ebenfalls in das reguläre Insolvenzverfahren französischen Rechts übergeleitet worden ist. Diese Verfahren in Frankreich sind bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch nicht beendet worden.

2. Im vorliegenden Verfahren vor den deutschen Gerichten verlangt der Kläger - handelnd in gewillkürter Prozessstandschaft auf der Grundlage einer von ihm dazu vorgetragenen Ermächtigung des französischen Insolvenzverwalters - die teilweise Rückzahlung des an die Beklagte aus der Verwertung eines zuvor in seinem Eigentum stehenden Grundstücks in A. ausgekehrten Erlöses. Ausgekehrt worden war der Erlösanteil an die Beklagte als Inhaberin einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld, die drei Darlehen der Beklagten an den Kläger und dessen Ehefrau, die zwischen 1988 und 1993 gewährt worden waren, und einen Kontokorrentkredit sicherte (Darlehen vom 3.5.1988 Nr. 647 498 227 über 85.000 DM; Darlehen vom 17.10.1988 Nr. 647 498 219 über 300.000 DM, Darlehen vom 14.12.1993 Nr. 647 498 200 über 150.000 DM, Kontokorrentkredit Nr. 647 499 002).

3. Nach ihrer im jetzigen Verfahren nicht bestrittenen Behauptung hat die Beklagte erst 1998 von dritter Seite Kenntnis von den seit 1992/1993 in Frankreich laufenden Insolvenzverfahren erhalten. Letztere waren in Frankreich gemäß dort gehöriger Form in einem Anzeiger veröffentlicht worden. Nach Kenntniserlangung am 14.1.1998 meldete die Beklagte ihre Darlehensforderungen von damals mehr als 330.000 DM am 2.2.1998 bei dem französischen Insolvenzverwalter Maître T. in P. an. Dieser wies die Anmeldung auf der Grundlage damals geltenden französischen Rechts zurück, da sie aufgrund verspäteter Anmeldung als erloschen zu gelten hatten. Die Beklagte bekämpfte die Zurückweisung vor den französischen Gerichten; Erfolg hatte sie nur hinsichtlich des Darlehens aus dem Jahr 1993, hinsichtlich der früher entstandenen Darlehensrückforderungen blieb es in den französischen Verfahren dabei, dass sie aufgrund verspäteter Anmeldung als aus französischer Sicht erloschen und zur Tabelle nicht mehr feststellbar galten.

4. Die Beklagte begann als Grundschuldinhaberin im Jahre 1999 mit der Verwertung des Grundstücks in A. Im Rahmen des durch das AG Heilbronn angeordneten Zwangsversteigerungsverfahrens gelang am 5.5.2000 der freihändige Verkauf an die Gemeinde A. Aus dem Erlös erhielt die Beklagte für ihre gesicherten Forderungen und für die ihr erwachsenen Verfahrenskosten in der Folge den Betrag von 162.147,22 EUR ausgekehrt. Ihre aus der Sicht der französischen Gerichte nicht erloschene Darlehensrückforderung an den Kläger aus dem Darlehen von 1993 hatte zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von 69.762,07 EUR.

5. Der Kläger sieht die Beklagte nicht berechtigt, die Differenz zwischen dem an sie ausgekehrten Erlösanteil von 162.147,22 EUR und der aus der Sicht des französischen Insolvenzrechts nicht erloschenen Forderung im Wert von 69.762,07 EUR behalten zu dürfen. Er meint, das französische Insolvenzverfahren, das in Deutschland anzuerkennen sei, beschränke die dingliche Sicherungswirkung ...

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