Leitsatz (amtlich)

1. Führt die Leistung des Schuldners zu einer inkongruenten Deckung, liegt darin regelmäßig ein Indiz für den Vorsatz des Schuldners, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen – § 131 Abs. 1 S. 1 InsO.

2. Eine Leistung, die der Schuldner auf eine fällige Forderung zur Vermeidung einer drohenden Zwangsvollstreckung gewährt hat, stellt eine inkongruente Deckung dar (BGH Urt. v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, WM 02, 1193 = ZIP 2002, 1159). Doch gilt dies nur dann, wenn die Leistung in den von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfassten 3-Monatszeitraum vor Verfahrenseröffnung fällt. Hat der Schuldner früher geleistet, führt dies ebenso wenig zu einer inkongruenten Deckung wie eine Sicherung oder Befriedigung, die der Gläubiger vor der genannten Frist im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt.

 

Normenkette

InsO § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 15 O 290/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen IX ZR 272/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das vom Vorsitzenden der 15. Zivilkammer des LG Stuttgart als Einzelrichter erlassene Urteil vom 21.12.2002 teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Masse 3.579,04 Euro (7.000 DM) zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 5.7.2001 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 95 % und das beklagte Land 5 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil für den Kläger vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils durch ihn zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil (Ziff. 2.) für das beklagte Land vollstreckbaren Betrages, wenn jenes nicht zuvor Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils von ihm zu vollstreckenden Betrags.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 78.193,88 Euro bis zur teilweisen Berufungsrücknahme im Termin vom 23.10.2002; danach: 61.622,85 Euro:

 

Tatbestand

Auf Antrag vom 18.12.2000 wurde durch Beschluss des AG L. vom 1.3.2001 über das Vermögen der Firma F. (im Folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Dieser verlangt mit der Klage die Rückzahlung solcher Zahlungen, welche die Schuldnerin in nach Meinung des Klägers anfechtbarer Weise an das Finanzamt L. erbracht hat.

Letzteres hatte zunächst am 22.12.1999 eine Pfändungsverfügung gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin, H.-G.F., wegen von diesem persönlich geschuldeter rückständiger Steuern erlassen. Gegenstand der Pfändung bildete dessen Anspruch auf Gehalt gegen die Schuldnerin (vgl. Pfändungsverfügung – Anl. K5 sowie Aufforderung zur Drittschuldnererklärung – Anl. K6). Als Drittschuldnerin zahlte die Schuldnerin am 20.5.2000 10.000 DM sowie am 17.7. und 15.9.2000 jeweils weitere 3.000 DM.

Am 18.4.2000 kam es wegen rückständiger Steuern, welche die Schuldnerin selbst schuldete, zu einer (wohl mündlich abgeschlossenen) Zahlungsvereinbarung zwischen den Parteien. Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, auf die rückständigen Steuern 50.000 DM sofort sowie Raten i.H.v. jeweils 12.500 DM in den Monaten Mai, Juni und Juli und den Restbetrag im August 2000 zu zahlen. In Erfüllung dieser Vereinbarung zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt am 25.4.2000 50.000 DM und am 20.5.2000 12.500 DM.

Nachdem weitere Zahlungen ausblieben, erließ das Finanzamt am 1.8.2000 eine Pfändungsverfügung auch gegen die Schuldnerin. Darauf meldete sich für diese Rechtsanwalt M. und bat mit Schreiben vom 8.8.2000 (Anl. K11) um Vollstreckungsaufschub u.a. mit Hinweis auf von der Schuldnerin erbrachte Vorauszahlungen auf Umsatz- und Lohnsteuer i.H.v. insgesamt 44.023,81 DM.

Diesen Vollstreckungsaufschub gewährte das Finanzamt am 9.8.2000 (Anl. K12), knüpfte ihn aber an die Bedingung, dass ab 15.9.2000 monatlich 7.000 DM zur Tilgung der Steuerschulden (im Schreiben als „Altschulden” bezeichnet) der Schuldnerin und 3.000 DM zur Tilgung der persönlichen Steuerschulden ihres Geschäftsführers gezahlt würden. In Erfüllung dieser Vereinbarung zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt am 15.9.2000 10.000 DM (7.000 DM auf eigene und die schon angesprochenen 3.000 DM auf Steuerschulden ihres Geschäftsführers) und am 7.11.2000 weitere 7.000 DM wiederum auf eigene Steuerschulden.

Weitere, vom Kläger ausdrücklich als kongruent bezeichnete Zahlungen auf eigene Steuerschulden leistete die Schuldnerin am 17.5.2000 i.H.v. 11.956,91 DM, DM sowie – insoweit allerdings streitig – i.H.v. 4.453,21 DM am 14.8.2000. Die Summe dieser Zahlungen i.H.v. 152.933,93 DM ergab den vor dem LG in der Hauptsache eingeklagten Betrag von 152.933,93 DM (Übersicht im SS des Klägers an das LG vom 8.11.2001, S. 5 – Bl. 46).

Vor de...

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