Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 25.09.2020; Aktenzeichen 5 O 246/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 25.09.2020, Az. 5 O 246/20, in Ziff. 1 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.298,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.08.2020 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des PKW XY mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es aufrechterhalten wird, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 37.871,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. 1. Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, für einen von der Beklagten hergestellten Pkw, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. Der Motor des Fahrzeugs, das der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin am 28.12.2011 als Neuwagen für 54.000,00 EUR erwarb, war mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand betrieben wird.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhaltes, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

2. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Der Klägerin stehe - als Vermächtnisnehmerin ihres verstorbenen Ehemannes - gemäß §§ 826, 31 BGB analog i.V.m. § 249 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatzes in Höhe von 37.871,71 EUR zu. Dabei wurde eine Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 250.000 km zugrunde gelegt. Des Weiteren könnten Verzugszinsen, vorgerichtliche Anwaltskosten und die Feststellung des Annahmeverzuges geltend gemacht werden. Verjährung sei nicht eingetreten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

3. Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.09.2020 zugestellte Urteil am 28.10.2020 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - rechtzeitig am 23.12.2020 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangen.

Die Beklagte ist der Auffassung,

die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien gem. §§ 195, 199 BGB verjährt.

Die Beklagte beantragt,

das am 25. September 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst), 5 O 246/20 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, der Anspruch sei nicht verjährt, da sie erstmals im Jahre 2017 Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeuges erlangt habe. Die Klageerhebung im Juli 2020 sei daher rechtzeitig erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 15.03.2021 verwiesen.

II. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten zu. Es wird vollumfänglich auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin nicht verjährt. Verjährungsbeginn für die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war vorliegend nicht bereits mit Schluss des Jahres 2015 oder 2016, sondern erst mit Schluss des Jahres 2017 gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

a. Der Senat geht nicht davon aus, dass es ein grob fahrlässiges Verhalten darstellt, wenn der Besitzer eines Fahrzeugs der Beklagten im Jahr 2015 - ohne von der Beklagten informiert worden zu sein - keine eigenen Nachforschungen unternahm, um die Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Diesel-Skandal zu überprüfen. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Erwägungen des 7. Zivilsenates des OLG Stuttgart an (Urt. v. 30.04.2020, Az. 7 U 470/19, BeckRS 2020, 7263, Rz. 70 ff.; a.A. OLG Stuttgart (10. Zivilsenat), Urt. v. 07.04.2020, 10 U 455/19, Rz. 46 ff.; Urt. v. 14.04.2020, 10 U 466/19, juris Rz. 42ff.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte in der Ad-hoc Mitteilung vom 22.09.2015 ausdrücklich darauf hinwies, sie arbeite mit Hochdruck daran, die näher dargelegten Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und stehe deswegen in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt. Angesichts dieser Ankündigung konnte die Klägerin darauf vertrauen, dass sich die Beklagte im Falle der Betroffenheit ihres Fahrzeugs bei ihr meldet und die angekündigten technischen Maßna...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge