Leitsatz (amtlich)

Der Einsatz überlegenen Sonderwissens ist nur dann strafbar, wenn den Spieler insoweit eine (gedachte) Offenbarungspflicht träfe. Das Vorliegen einer Offenbarungspflicht wird in Anlehnung an die zur Offenkundigkeit eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach § 17 UWG entwickelten Grundsätze maßgeblich von der Art der Erlangung und dem Verbreitungsgrad der Kenntnisse, die der Spieler einsetzt, bestimmt. Den Spieler trifft danach jedenfalls keine Offenbarungspflicht, wenn das von ihm eingesetzte überlegene Wissen aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammt und damit offenkundig ist.

 

Normenkette

StGB § 263a

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Entscheidung vom 05.11.2015; Aktenzeichen 23 Ns 26 Js 5222/14)

AG Reutlingen (Entscheidung vom 19.11.2014; Aktenzeichen 10 Cs 26 Js 5222/14)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Tübingen gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 5. November 2015 wird als unbegründet

verworfen.

Die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Reutlingen hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. November 2014 wegen (gemeinschaftlichen) Computerbetruges zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Tübingen das amtsgerichtliche Urteil am 5. November 2015 "abgeändert" und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Tübingen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand, weil sich der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht wegen Computerbetrugs strafbar gemacht hat.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte am 14. Februar 2014 gegen 6:00 Uhr mit einem unbekannt gebliebenen Begleiter zu einer Tankstelle, wo in einem Nebenraum auf drei Glücksspielautomaten das computerprogrammierte Glücksspiel "Roulette 36" lief.

Aufgrund eines Softwarefehlers dieses Spieles war es durch simultanes Betätigen des Punkteeinsatzbuttons und der Geldrückgabetaste möglich, beim Spiel Punkte einzusetzen bzw. umzubuchen, die regelwidrig nicht vom Einsatz des Punktespeichers abgezogen wurden. Auf diese Weise konnte der Spieler Gewinne in einer Größenordnung erzielen, die bei einem vom Hersteller des Spieles intendierten normalen Spielablauf nicht vorgesehen waren. Für die erlangten Punkte wurde anschließend pro Punkt 0,01 Euro ausbezahlt. Am 13. Februar 2014 erhielt der Spielehersteller von einem Informanten Hinweise über die Fehlfunktion dieses Spiels. Um zu verhindern, dass Spieler diesen Systemfehler ausnutzen, um überhöhte Gewinne zu erzielen, benachrichtigte der Hersteller am Nachmittag des 13. Februar 2014 die Automatenaufsteller über ein unregelmäßiges Gewinnverhalten und empfahl, das Spiel "Roulette 36" vorsichtshalber schnellst möglich abzuschalten. Auch die Aufstellerin der drei (tatgegenständlichen) Automaten erhielt am Nachmittag des 13. Februar 2014 diese Warnmeldung. Aus organisatorischen Gründen entschied sie sich dafür, die Warnung erst am Folgetag an die Betriebe weiterzuleiten, in welchen sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung ihre Automaten aufgestellt hatte.

Die Information über diesen Softwarefehler verbreitete sich "wie ein Lauffeuer über verschiedene Kanäle des Internets auch in Spielerkreisen", weshalb bis zum 14. Februar 2014 an zahlreichen bundesweit aufgestellten Glücksspielautomaten von Spielern unter Ausnutzung dieses Fehlers zum Teil hohe Gewinne erzielt wurden und den Betreibern der Automaten entsprechende Schäden entstanden.

Grundsätzlich wäre es einem Spieler auch ohne den Systemfehler technisch möglich gewesen, den Automaten in dieser Weise zu bedienen. Allerdings hätte das simultane Drücken der Tastenkombination dann nicht zur Umbuchung bzw. Übertragung der Einsatzpunkte geführt.

In Kenntnis und unter Ausnutzung des Fehlers der Software spielte der Angeklagte entweder allein oder abwechselnd mit seinem Begleiter das Spiel "Roulette 36", wobei sie innerhalb von weniger als drei Stunden an den drei Spielautomaten Gewinne in Höhe von 360,20 €' 1519,60 € und 1437 € erzielten. Unklar blieb, wie der Angeklagte bzw. sein Begleiter Kenntnis von dem Softwarefehler erlangt hatten. Durch ein Software-Update ist der Fehler des Spiels inzwischen behoben.

Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als nicht strafbar nach § 263a Abs. 1 Fall 4 StGB erachtet und ihn daher aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

2. Die Überprüfung des Urteils ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Der angefochtene Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Unbefugt ist die Verwendung von Daten auch bezogen auf die vierte Tatbestandsvariante des § 263a StGB, wenn sie - entsprechend den Grundsätzen der konkludenten Täuschung beim Betrug - gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte (BGH, Beschluss vom 20. Dezembe...

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