Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 25.10.2017; Aktenzeichen 6 O 302/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1 wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 25.10.2017, Az. 6 O 302/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 10.000,00 EUR Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.10.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 169,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.10.2015 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die darauf zurückzuführen sind, dass bei der Operation vom 18.03.2014 eine Nadel im Bauchraum der Klägerin verblieben ist, materielle Schäden soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

4. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 1.957,55 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten Ziff. 1 sowie die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

III. 1. Die erstinstanzlichen Kosten werden wie folgt verteilt:

a) Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin selbst 75 %, die Beklagte Ziff. 1 25 %.

b) Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 tragen die Beklagte Ziff. 1 und die Klägerin je zur Hälfe.

c) Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 trägt die Klägerin.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 27.669,25 EUR

 

Gründe

A. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer urologischen Operation geltend.

I. Bei der am 27.01.1988 geborenen Klägerin wurde am 18.03.2014 im von der Beklagten Ziff. 1 getragenen Bundeswehrkrankenhaus Ulm laparoskopisch eine Pyelonplastik wegen Nierenbeckenabgangsstenose rechts sowie eine Nierensteinentfernung durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass es sich nicht um feste Nierensteine handelte. Es entleerte sich unmittelbar nach Eröffnung des Nierenbeckens sog. Steinsludge (Steingrieß) aus dem Nierenbecken. Postoperativ hatte die Klägerin zunächst Fieberschübe und im weiteren Verlauf abdominale Schmerzen.

Spätestens am 15.04.2014 fiel anlässlich eines CTs auf, dass eine 1,9 cm lange, gerade Nadel mit der Stärke 4,0 im Körper zurückgeblieben war. Hierüber wurde die Klägerin am 14.05.2014 informiert.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

II. Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten Ziff. 2 abgewiesen. Die Beklagte Ziff. 1 hat es - unter Klagabweisung im Übrigen - wegen Belassens der Nadel im Bauchraum zur Zahlung von 13.000,00 EUR Schmerzensgeld, 169,25 EUR Fahrt- und Telefonkosten sowie 2.094,40 EUR vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt. Ferner hat es - bezüglich der belassenen Nadel - die Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden ausgesprochen. Nicht der Verlust, wohl aber das Zurücklassen der Nadel sei dem voll beherrschbaren Risikobereich des Arztes zuzuweisen. Die Beklagte Ziff. 1 habe nicht bewiesen, dass insoweit die gebotene Sorgfalt eingehalten worden sei. Im Übrigen seien keine Behandlungsfehler festzustellen. Eine Aufklärungshaftung scheide jedenfalls deshalb aus, weil die Klägerin einen plausiblen Entscheidungskonflikt nicht habe darlegen können.

Gegen das Urteil haben sowohl die Klägerin (beschränkt auf die Klage gegen die Beklagte Ziff. 1) als auch die Beklagte Ziff. 1 Berufung eingelegt.

III. Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht lediglich einen einfachen Behandlungsfehler angenommen. Richtigerweise sei das Versäumnis als grober Behandlungsfehler zu werten, da bei nur ca. vier verwendeten Nadeln ein Blick des Operateurs oder eines anderen Mitglieds des Operationsteams ausreiche, um die Vollständigkeit zu überprüfen. Bereits die vom Landgericht selbst gewählte Formulierung, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Fehlen der Nadel nicht aufgefallen sei, weise in die Richtung eines groben Behandlungsfehlers. Außerdem setze sich das Landgericht nicht mit dem Umstand auseinander, dass man die Klägerin erst verspätet über den Verbleib der Nadel aufgeklärt habe. Zumindest in der Gesamtschau sei daher ein grober Behandlungsfehler anzunehmen. Mit Blick hierauf sei aber ein höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt, weil eine Beweislastumkehr dafür eingreife, dass die postoperativen Schmerzen auf die Nadel zurückgingen. Ebenfalls schmerzensgelderhöhend sei zu berücksichtigen, dass möglicherweise noch eine Operation anstehe. Die Klägerin habe sich nicht auf den Fes...

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