Leitsatz (amtlich)

1. Macht der Anlageberater einen Prospekt, Beratungs- oder Vertragsunterlagen, hier u.a. "Policenbedingungen", zur Grundlage der Beratung und des Ver-tragsabschlusses, obwohl diese Unterlagen teilweise fehlerhaft sind, hat er den Anleger falsch beraten. Die Pflichtverletzung des Anlageberaters steht dann aufgrund der Übergabe dieser falschen Unterlagen fest. Sie entfällt nur dann, wenn der Berater diesen Fehler berichtigt hat. Dafür, dass er dies getan hat, ist indes der Berater und nicht etwa der Anleger, hier der Versicherungsnehmer, beweispflichtig (im Urteil unter 3.4.2; Anschluss an BGH, Urt. v. 5.3.2009 - III ZR 17/08, WM 2009, 739, Rz. 14 und BGH, Beschl. v. 17.9.2009 - XI ZR 264/08, BKR 2009, 471 Rz. 5).

2. Die gem. § 204 Nr. 1 BGB eingetretene Hemmung der Verjährung wegen eines Schadensersatzanspruches aufgrund fehlerhafter Beratung über eine Lebensversicherung umfasst auch solche Pflichtverletzungen, die nicht ausdrücklich zum Gegen-stand des Sachvortrags des Versicherungsnehmers gemacht worden sind, soweit diese auf dem selben Lebenssachverhalt beruhen. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die Pflichtverletzungen sich (auch) aus den schriftlichen Unterlagen ergeben, die Gegenstand der Beratung waren (im Urteil unter 3.7.3; Anschluss an BGH, Urt. v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 Rz. 12; Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 21.3.2000 - IX ZR 183/98, NJW 2000, 2678 Rz. 13).

 

Normenkette

VVG ALB; BGB § 199 Abs. 3 Nr. 1, § 204 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 24.04.2012; Aktenzeichen 3 O 28/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Ulm vom 24.4.2012 - 3 O 28/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt der Streithelfer der Beklagten.

3. Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 49.069,95 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Ersatz seines Vertrauensschadens wegen behauptet fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der kreditfinanzierten Lebensversicherung "Wealthmaster". Hilfsweise verlangt er Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die im Versicherungsschein zur Police mit der Nr ... genannten Auszahlungen unvermindert zu erbringen.

Die Beklagte ist ein seit 1995 auf dem deutschen Markt tätiges britisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden und Großbritannien.

Der zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag des Typs "Wealthmaster" ist in das Anlagemodell "EuroPlan" eingebunden, das von der zwischenzeitlich insolventen ... Finanzmakler GmbH (deren Insolvenzverwalter der Streithelfer der Beklagten ist) entwickelt und initiiert worden war. Beim Anlagemodell "EuroPlan" wird ein Bankdarlehen aufgenommen. Der Darlehensbetrag wird in eine Lebensversicherung bei der Beklagten investiert. Zusätzlich wird ein Investmentfonds gezeichnet. In diesen werden entweder eine Einmalzahlung oder monatliche Sparraten einbezahlt. Das Darlehen ist endfällig, so dass in den ersten Jahren nur Zinsen zu entrichten sind. Diese sollen mit den vierteljährlichen Auszahlungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung bedient werden. Bei Endfälligkeit des Darlehens soll der Investmentfonds einen Wert haben, der eine vollständige Tilgung des Darlehens ermöglicht.

Der Vertrieb der streitgegenständlichen Lebensversicherung erfolgte in Deutschland über ... AG als sog. "Masterdistributorin", die sich ihrerseits vor Ort Untervermittlern bediente.

Auf der Grundlage der Beratung durch den Zeugen ... investierte der 1963 geborene Kläger im Jahr 2001 in das Anlagemodell "EuroPlan". Anlässlich der Beratung erstellte der Zeuge ... eine Kurzberechnung zum "EuroPlan" (Anlage K 7 zu GA I 76). Diese lautet auszugsweise wie folgt:

"[...]

Bruttodarlehen in DM: 100.000,-

[...]

Investmentfonds Einmalbetrag: DM 15.000,-

[...]

Versicherung: C. M.

Tarif: Wealthmaster

Einmalbeitrag in DM: 100.000,-

Policenwährung: DM/EUR

Kalk. Wertzuwachs auf Nettoanlage 8,5

Vierteljährliche Teilkündigungen ("Rente")

Jahr 1 bis 5 DM 1.750,00

Jahr 6 bis 10 DM 1.750,00

Jahr 11 bis 15 DM 1.750,00

ab Jahr 16 DM 2.314,92

Kalk. LV-Guthaben nach Darl. Tilgung: DM 112.947,00

[...]"

Auf dieser Basis stellte die "Kurzberechnung" die Wertentwicklung der Lebensversicherung dar.

Bei der Versicherung "Wealthmaster" handelt es sich um eine Kapitallebensversicherung gegen Zahlung eines Einmalbetrages. Der Einmalbetrag wird bei dieser Versicherung von der Beklagten in Wertpapiere investiert, die in sog. Pools mit garantiertem Wertzuwachs zusammengefasst sind. Die den einzelnen Pools zugrunde liegenden Vermögenswerte sind Teil des "With-Profit-Funds" der Beklagten, der einem Sondervermögen gleicht. Jedem einzelne...

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