Leitsatz (amtlich)

1. Vertragsverhandlungen in der Privatwohnung des Vermittlers von Kapitalanlagen anlässlich eines privat veranlassten Besuchs unterliegen dem HWiG.

2. Die Haustürsituation ist der Bank, die den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds im Rahmen eines verbundenen Geschäfts i.S.v. § 9 VerbrKrG finanziert hat, nach § 123 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Der Vermittler ist in diesem Fall nicht Dritter i.S.v. § 123 Abs. 2 BGB.

3. Die Rückabwicklung des nach dem HWiG widerrufenen Darlehensvertrags erfolgt entspr. dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 21.7.2003 (BGH, Urt. v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821) in der Weise, dass der Kreditnehmer zur Rückzahlung der Darlehensvaluta einschl. einer marktüblichen Verzinsung verpflichtet ist, angesichts der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann der Anleger (anders als BGH, Urt. v. 17.9.1996 – XI ZR 164/95, MDR 1997, 24 = NJW 1996, 3414 und Urt. v. 17.9.1996 – XI ZR 197/95, MDR 1997, 25 = NJW 1996, 3416) die Rückzahlung nicht gänzlich verweigern. Die Bank muss sich jedoch den Wert des dem Anleger gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zustehenden Abfindungsguthabens zum Zeitpunkt des Widerrufs anrechnen lassen.

4. Bei einer Teilklage der Bank kann offen bleiben, ob die Zahlungen des Kreditnehmers ebenfalls zu verzinsen sind (ebenso in welcher Höhe), wenn feststeht, dass der Bank jedenfalls ein überschießender Zahlungsanspruch in Höhe der Teilklage zusteht.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 01.08.2003; Aktenzeichen 8 O 132/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.06.2006; Aktenzeichen XI ZR 432/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Stuttgart vom 1.8.2003 (8 O 132/03) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 1.12.2002 zu bezahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: bis 80.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht in Form einer Teilklage über 6.000 Euro (nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1.12.2002) gegen den Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung eines zur Finanzierung des Beitritts zu dem geschlossenen Immobilienfonds Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungs-GbR … (WGS-Fonds Nr. …) aufgenommenen Darlehens geltend. Der Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Rückzahlung auf das Darlehen geleisteter Zahlungen i.H.v. 23.666,71 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 22.5.2003 sowie die Rückübertragung von sicherungshalber abgetretenen Ansprüchen aus einer Lebensversicherung, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsanteile, außerdem beantragt er die Feststellung, dass der Klägerin keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mehr zustehen.

1. Der Beklagte war Ende 1992 von seinem „Onkel” … (die Mutter des Beklagten war dessen Cousine) angesprochen worden, der den Beklagten unter im Einzelnen str. Umständen dazu bewegte, am 9.12.1992 einen privatschriftlichen Eintrittsantrag für zwei Anteile an dem WGS-Fonds Nr. … mit einem Nennwert von 61.300 DM zu unterzeichnen (Anlage B 3). Nachdem der Beklagte ebenfalls am 9.12.1992 eine notariell beurkundete Vollmacht für den Erwerb dieser Anteile erteilt hatte, erklärte der durch eine bevollmächtigte Mitarbeiterin der Vertriebsgesellschaft vertretene Beklagte am 21.12.1992 durch notarielle Urkunde des Notars Altrichter in Stuttgart (Anlage B 2.2) den Beitritt zu der BGB-Gesellschaft und verpflichtete sich, die Einlage von 61.300 DM durch Anweisung an die finanzierende Bank auf das Konto der Treuhänderin … GmbH zu entrichten. Der Beklagte hatte zur Finanzierung des Anteilserwerbs am 9.12.1992 eine Kreditanfrage und eine Selbstauskunft (Anlagen B 4 und B 5) sowie ebenfalls am 9.12.1992 einen von der Klägerin am 11.2.1993 gegengezeichneten Darlehensantrag unterzeichnet (Bl. 14/16) über einen Gesamtbetrag von 70.476 DM zu einem bis 31.12.2002 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 7,95 % (effektiv 9,95 %), der weisungsgemäß an die Treuhänderin ausgezahlte Nettokredit betrug (bei einem Disagio von 10 %) insgesamt 63.430 DM. Die Rückzahlung des endfälligen Darlehens sollte am „1.12.2012 durch fällige Lebensversicherung/en über 26.400 DM” erfolgen. Als Sicherheit trat der Beklagte alle Ansprüche aus der Lebensversicherung bei der … AG, die er am 6.12.1992 beantragt hatte (Anlage B 2.1), an die Klägerin ab und verpfändete seine Gesellschaftsanteile an dem Immobilienfonds. Der Darlehensvertrag enthält eine von dem Beklagten unterzeichnete Widerrufsbelehrung mit folgendem Inhalt:

„Als Darlehnsnehmer steht mir/uns das gesetzliche Recht zum Widerruf zu. Danach ist die auf den Abschluss dies...

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