Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen Ri 1 O 20/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.05.2020; Aktenzeichen VI ZR 213/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 13.12.2016, Az. Ri 1 O 20/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.773,14 EUR

 

Gründe

A. I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens im Zusammenhang mit zwei Mammographie-Screenings geltend.

1. Die am 27.07.1944 geborene Klägerin unterzog sich am 29.01.2010 in der Praxis der Beklagten einem Mammographie-Screening. Die beiden Befunder kamen nach der Klassifikation Breast Imaging Reporting and Data System (BIRADS) zu unterschiedlichen Ergebnissen, nämlich einer zu BIRADS 1 (Normalbefund), der andere zu BIRADS 4a (suspekte Veränderung, eher benigne). In der Konsensuskonferenz vom 01.02.2010 verständigte man sich auf BIRADS 2 (benigner Befund). Der Klägerin teilte man mit, dass der Status unauffällig sei.

In der Folge brachten Krebsvorsorgen bei ... am 28.05.2010 sowie bei Frau ... am 15.04.2011 und am 26.01.2012 keine pathologischen Befunde.

Am 17.04.2012 stellte sich die Klägerin ein weiteres Mal zum Mammographie-Screening bei den Beklagten vor. In der Anamnese gab sie an, die Mamille rechts sei seit ca. einem Jahr leicht eingezogen. Die Mammographie wurde mit BIRADS 1 (Normalbefund) bewertet und der Klägerin mit Schreiben vom 24.04.2012 mitgeteilt, es seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden.

Am 30.04.2014 stellte die Klägerin sich beim Frauenarzt ... wegen einer zunehmenden Einziehung der rechten Brustwarze nebst "Delligkeit" vor. Die daraufhin durchgeführten Untersuchungen (u.a. eine kurative Mammographie und ein MRT) führten zur Diagnose von Brustkrebs. Am 27.05.2014 entfernte man im Diakonieklinikum Schwäbisch Hall brusterhaltend ein 2,1 × 1,3 × 1,8 cm großes invasives Karzinom sowie ein begleitendes lobuläres Karzinom und nahm eine Sentinellymphonodektomie und Axilladisektion vor, wobei in zwei der entnommenen 13 Lymphknoten Metastasen festgestellt wurden. Am 05.06.2014 wurde verdächtiges Gewebe nachreseziert. Im Arztbrief vom 31.07.2014 bezeichneten die Ärzte des Diakonieklinikums das Mammakarzinom rechts mit pT2, pN1a (2/13), L1, V0, R0, G2 + LIN 2. Neben der Einnahme von Aromatasehemmern für fünf Jahre wurde die Durchführung sowohl einer Bestrahlungs- als auch einer Chemotherapie empfohlen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, beide Mammographie-Screenings seien fehlerhaft bewertet und zwingende weitere Befunderhebungen unterlassen worden. Bei korrektem Vorgehen, wäre der Brustkrebs in einem Stadium entdeckt und behandelt worden, in dem noch keine Lymphknoten befallen gewesen wären. Einer Chemotherapie hätte es nicht bedurft und die Anzahl der Bestrahlungen wäre geringer gewesen (deutlich unter 30).

Die Beklagten haben eingewandt, es liege kein Fehler vor und wenn überhaupt, dann ein Diagnose- und kein Befunderhebungsfehler. Im Übrigen habe ein etwaiger Fehler keinen kausalen und zurechenbaren Schaden herbeigeführt.

II. Das Landgericht hat der Klage - sachverständig beraten - unter Klagabweisung im Übrigen im Wesentlichen stattgegeben. Während sich beim ersten Screening 2010 kein Fehler feststellen lasse, liege beim Screening im Jahr 2012 ein Befunderhebungsfehler vor. Zwar habe sich lediglich im cranio-caudalen Strahlengang ein auffälliger Befund gezeigt, während ein echter Herdbefund üblicherweise auch im weiteren Strahlengang darzustellen sei. Hinzu komme aber die Mitteilung über die seit ca. einem Jahr bestehende Einziehung der rechten Mamille. Aufgrund dessen seien weitere Befunderhebungen veranlasst gewesen. An der Qualifikation der Sachverständigen ... bestehe kein Zweifel, auch wenn sie derzeit nicht im Bereich des Screenings, sondern in der kurativen Mammographie tätig sei.

Der Einwand, die von der Sachverständigen gewählte Einstufung BIRADS 0 sei in den Regularien des Mammografie-Screening-Programms (Anlage 9.2 BMV-Ä) nicht enthalten, führe nicht weiter. Da ein abklärungsbedürftiger Befund vorgelegen habe, hätte dieser in die Konsensuskonferenz eingebracht werden müssen (§ 10 Abs. 4 Anl. 9.2. BMV Ä/EKV) und die Patientin wäre aufgrund der Auffälligkeit vom programmverantwortlichen Arzt kurzfristig zur Abklärungsdiagnostik in die Sprechstunde zu laden gewesen (§ 11 Abs. 5 Anl. 9.2 BMV Ä/EKV).

Der Primärschaden bestehe darin, dass auch eine Axilladissektion durchgeführt und die gesundheitliche Belastung mit einer Chemotherapie zumindest mitverursacht worden sei. Für den Kausalitätsnachweis komme der Klägerin eine Beweislastumkehr infolge einfachen Befunderhebungsfehlers zu Gute. Die gebotenen Untersuchungen hätten sic...

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