Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungs(un-)fähigkeit bei Bezug von Arbeitslosengeld II

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von einem Unterhaltspflichtigen bezogenes Arbeitslosengeld II ist ausschließlich bedarfsabängige Sozialleistung, die keine Leistungsfähigkeit begründet. Auch die nachträglich eingefügte Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II führt zu keiner anderen Beurteilung.

2. Bemüht sich der Unterhaltspflichtige nicht mit der erforderlichen Intensität um eine Arbeitsstelle, so ist ihm ein fiktives Einkommen zuzurechnen, das für einen ungelernten Hilfsarbeiter mit brutto 9,00 EUR/Stunde angesetzt werden kann.

3. Die zweite Ehefrau des Unterhaltspflichtigen ist auch nach neuem Recht nicht in die Mangelfallberechnung einzubeziehen.

4. Auch im Mangelfall ist eine 5 %ige Erwerbspauschale in Abzug zu bringen.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1, § 1609

 

Verfahrensgang

AG Balingen (Urteil vom 14.09.2007; Aktenzeichen 5 F 126/07)

 

Tenor

1. Dem Beklagten wird hinsichtlich der versäumten Frist zur Berufung gegen das Urteil des AG - FamG - Balingen vom 14.9.2007 (Az. 5 F 126/07) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des AG - FamG - Balingen vom 14.9.2007 (Az. 5 F 126/07) zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des AG - FamG - Balingen vom 18.7.2007 (Az. 5 F 126/07) wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von monatlichem Kindesunterhalt an die Kläger in folgender Höhe verurteilt worden ist:

An die Klägerin Ziff. 1:

  • 1.6.2007 bis 30.6.2007 101 EUR
  • 1.7.2007 bis 31.10.2007 monatlich 97 EUR
  • ab 1.11.2007 monatlich 85 EUR

An den Kläger Ziff. 2:

  • 1.6.2007 bis 30.6.2007 101 EUR
  • 1.7.2007 bis 31.10.2007 monatlich 97 EUR
  • ab 1.11.2007 monatlich 72 EUR

Die Unterhaltsbeträge sind jeweils fällig im voraus zum 1. eines jeden Monats und für den Zeitraum von Juni 2007 bis Februar 2008 im jeweiligen Monatsbetrag ab dem 1. des jeweiligen Monats zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 18.7.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten in beiden Instanzen tragen die Parteien jeweils 1/3.

Der Beklagte trägt jeweils 1/3 der außergerichtlichen Kosten beider Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Kläger jeweils 1/3. Im Übrigen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

Klage der Klägerin Ziff. 1: 1.527 EUR

Klage des Klägers Ziff. 2: 1.394 EUR

insgesamt somit 2.921 EUR.

 

Tatbestand

I. Die Kläger machen Kindesunterhalt ab 1.6.2007 (Rechtshängigkeit der Klage) geltend.

Die Kläger sind die minderjährigen Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe mit Frau A.. Die Kläger werden von der Mutter betreut und versorgt.

Der Beklagte ist erneut verheiratet und hat aus dieser Ehe das Kind D., geboren am ... 2004 sowie das Kind J., geboren am ... 2007. Der Beklagte wie auch seine Ehefrau sind nicht berufstätig. Die Familie lebt von Arbeitslosengeld II. Zeitweise hatte der Beklagte eine Nebenbeschäftigung im Umfang eines 400 EUR-Jobs.

Durch das dem Beklagten am 1.10.2007 zugestellte Urteil des AG - FamG - Balingen vom 14.9.2007, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wurde der Beklagte unter teilweiser Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des AG - FamG - Balingen (Az: 5 F 126/07) vom 18.7.2007 (Verurteilung zu 100 % des Regelbetrags) für Juni 2007 zu einem monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 123 EUR, für die Monate Juli bis Oktober 2007 zu einem monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 120 EUR und ab 1.11.2007 für die Klägerin Ziff. 1 zu einem Kindesunterhalt von 132 EUR monatlich und für den Kläger Ziff. 2 zu einem Kindesunterhalt von 113 EUR monatlich verurteilt. Im Übrigen wurde das Versäumnisurteil vom 18.7.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gegen die Verurteilung richtet sich die am 22.11.2007 nebst Antrag auf Wiedereinsetzung eingelegte Berufung mit Berufungsbegründung. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war ein Prozesskostenhilfeantrag vom 29.10.2007 für die beabsichtigte Berufung, eingegangen am 31.10.2007, vorausgegangen. Mit Beschluss vom 8.11.2007, zugestellt am 16.11.2007, wurde dem Beklagten antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der Beklagte trägt vor, dass das AG den Sachverhalt sowohl unter tatsächlichen wie auch rechtlichen Gesichtspunkten unzutreffend beurteilt habe. Eine Verletzung der Obliegenheit, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, liege nicht vor. Ferner sei das vom Erstgericht angenommene fiktive Einkommen mit einem Stundenlohn von brutto 9 EUR deutlich übersetzt. Als ungelernte Kraft mit mangelnden Deutschkenntnissen könne er allenfalls einen Stundenlohn von 7 EUR erzielen. Des Weiteren sei bei der fiktiven Einkommensberechnung die 5%ige Erwerbspauschale nicht berücksichtigt worden. Auch habe das Erstgericht die Tatsache, dass der Beklagte ...

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