Revision nicht angenommen des Beschluss des BGH VI ZR 51/00 vom 06.03.2001

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Neugeborener ist bei einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Neugeboreneninfektion innerhalb der ersten 48 Stunden engmaschig zu beobachten.

2. Der Klinikträger muss für einen neonatologischen Notfall innerhalb dieser Zeit ausreichende organisatorische Vorkehrungen treffen, insbesondere sicherstellen, dass beim Auftreten von Atemnot ein kompetenter Arzt zugezogen wird, und regeln, welchen Arzt das Pflegpersonal zu verständigen hat.

3. Der zugezogene Kinderarzt darf sich, wenn er für eine erforderliche Intubation des Neugeborenen keine ausreichenden Kenntnisse und Erfahrungen besitzt, nicht mit einer Maskenbeatmung begnügen, sondern muss dafür sorgen, dass ein kompetenter Krankenhausarzt hinzugezogen wird.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 3 O 1260/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 30.04.98 – 3 O 1260/96 – wie folgt abgeändert

  1. Die Beklagten Ziff. 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus zu bezahlen, der Beklagte Ziff. 1 seit dem 18.07.96 und der Beklagte Ziff. 4 seit dem 30.01.98.
  2. Die Beklagten Ziff. 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ab Juni 1996 eine monatliche, künftig im voraus, jeweils zum 1. eines jeden Monats zu entrichtende Schmerzensgeldrente von 700,00 DM zu bezahlen.
  3. Die Beklagten Ziff 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.416,60 DM nebst 4 % Zinsen zu bezahlen, und zwar aus 4.270,00 DM der Beklagte Ziff. 1 vom 17.12.97 bis 10.10.99, der Beklagte Ziff. 4 vom 30.01.98 bis 10.10.99 sowie beide Beklagte aus dem Gesamtbetrag seit dem 11.10.99
  4. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser infolge der fehlerhaften nachgeburtlichen Behandlung vom 22.12.93 erlitten hat, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 5/6, die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner 1/6;

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff 2, 3, 5 und 6 trägt der Kläger; diejenigen des Klägers tragen die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner zu 1/6, diejenigen der Beklagten Ziff. 1 und 4 trägt der Kläger je zur Hälfte. Im übrigen tragen sie die Parteien selbst.

III. Die Kosten der Berufung werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/3, die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner 1/3;

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 3 trägt der Kläger; diejenigen des Klägers tragen die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner zu 1/3, diejenigen der Beklagten Ziff. 1 und 4 trägt der Kläger je zur Hälfte. Im übrigen tragen sie die Parteien selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig voltstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 DM abwenden, der Kläger die Vollstreckung der Beklagten Ziff. 1 und 4 durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 18.000,00 und die Vollstreckung der Beklagten Ziff. 3 durch Sicherheitsleistung von 36.000,00 DM abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung:

Anträge

Ziff. 1

500.000,00 DM;

Ziff. 2

60.000,00 DM,

Ziff. 3 a)

7.416,60 DM;

Ziff. 3 b)

100.000,00 DM.

insgesamt

667.416,60 DM.

Streitwert 1. Instanz:

664.270,00 DM.

Beschwer:

jeweils über 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Der am 22.12.93 geborene Kläger macht wegen behaupteter Mängel in der vor- und nachgeburtlichen Betreuung Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Gegen die Beklagte Ziff. 2, die den Kläger entbunden hat, und die Beklagten Ziffer 5 und 6, Kindernotarzt und Träger der nachbehandelnden Kinderklinik, verfolgt er im zweiten Rechtszug Ansprüche nicht mehr weiter

Der beklagte Landkreis (Bekl. Ziff. 1) ist Träger des Kreiskrankenhauses T., in dem der Kläger entbunden worden ist. Die Beklagte Ziffer 3, damals noch Ärztin im Praktikum, hatte dort als Stationsärztin Dienst. Der Beklagte Ziff. 4 ist niedergelassener Kinderarzt; er hat seine Praxis unweit des Krankenhauses. Er wurde damals – neben anderen Kinderärzten – bei allgemeinen Erkrankungen von Kindern auf der Neugeborenenstation und zur routinemäßigen Durchführung der U2-Untersuchung – bei operativ entbundenen Neugeborenen auch zur Durchführung der U1-Vorsorgeuntersuchung – gerufen.

Die Mutter des Klägers. Frau M. Y. wurde von der sie betreuenden Gynäkologin am 17.12.93 wegen vorzeitiger Wehentätigkeit und Verdachts auf einen Harnwegsinfekt an das Kreiskrankenhaus T. überwiesen. Dort wurde sie ambulant – u. a. mit Ultraschall – untersucht. Die B...

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