Leitsatz (amtlich)

Durch die Verwendung des Begriffs "bekömmlich" für Bier wird ein Wirkzusammenhang zwischen diesem Getränk und der Gesundheit hergestellt. Damit liegt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 16.02.2016)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.05.2018; Aktenzeichen I ZR 252/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Ravensburg vom 16.02.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger im Unterlassungsausspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger wegen der Verfahrens- sowie der Abmahnkosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 30.000,00 EUR

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat der Sache nach keinen Erfolg.

Auch wenn der EuGH in Deutsches Weintor eine Bekömmlichkeitswerbung bezüglich Wein unter Berücksichtigung einer ergänzenden Angabe zum Säuregehalt zu bewerten hatte, so hat er nach Ansicht des Senats doch allgemeine Rechtsgrundsätze aufgestellt, welche einen weiten Zusammenhang zwischen Angabe zum Lebensmittel und Gesundheit genügen lassen, um die Angabe gesundheitsbezogen zu machen; zudem hat er das absolute Verbot für gesundheitsbezogene Angaben bei gewissen Kategorien alkoholischer Getränke im Hinblick auf das hohe Verbraucherschutzniveau für mit Rechten der Unternehmen nach der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar erklärt. Die Vorlageentscheidung des BGH zur isolierten Bekömmlichkeitswerbung für den Gurktaler Kräuterlikör konnte schon zeitlich jene EuGH-Entscheidung nicht aufnehmen, weshalb seine strengeren Anforderungen an Angaben zum Wirkzusammenhang und die Einschränkbarkeit des absoluten Verbotes durch die unternehmerische Meinungs- und Informationsfreiheit nicht verfangen. Gemessen an den bezeichneten Obersätzen des EuGH, dem hohen Schutzniveau im Interesse der Verbraucher auch wegen der von solchen Alkoholika ausgehenden Risiken und der Sprachbedeutung von "bekömmlich" als "gesund", "verträglich" oder "zuträglich" unterliegt die angegriffene Angabe dem Verbot nach Art. 4 Abs. 3 S. 1 HCVO, ohne dass darauf abzustellen wäre, dass einzelne Hinweise in der Werbung für die Biere einen gesundheitsbezogenen Wirkzusammenhang noch verstärken.

Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil, das veröffentlicht ist etwa in BeckRS 2016, 08229 und MD 2016, 621, verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz zusammenfassend und ergänzend:

Der Kläger, dem 89 Unternehmen der Lebensmittelbranche angehören und dessen Aktivlegitimation zwischen den Parteien nicht mehr in Rede steht - anders als noch im Verfügungsverfahren (dort Bl. 28) -, hat die Beklagte, eine in L. beheimatete Brauerei, wegen Verwendung des Begriffs "bekömmlich" in deren Internetwerbung für einzelne Biersorten vergeblich abgemahnt. Er sieht darin eine unzulässige und damit wettbewerbsrechtlich zu verbietende gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 [HCVO].

Die Beklagte hat den Antrag als unbestimmt, jedenfalls zu weit gefasst beanstandet, da jede noch so neutrale Verwendung dem begehrten Verbot unterfiele. Zudem werde auf keine andere Werbung als die auf der Homepage der Beklagten Bezug genommen, gleichwohl sei der Antrag umfassend formuliert. Eine gesundheitsbezogene Angabe liege nicht in der - wie hier - nur isolierten Bekömmlichkeitswerbung, sondern erst vor, wenn mit näheren Erläuterungen ein Zusammenhang mit Gesundheit, diese etwa fördernd, hergestellt werde oder - wie nicht - ein Verweis auf Inhaltsstoffe geschehen wäre. Vorliegend transportiere die angegriffene Begrifflichkeit in der Werbung nur die Genusswürdigkeit, die geschmackliche Hervorgehobenheit der Produkte der Beklagten, wie dies mit deren jahrelang verwendetem Werbeslogan "Wohl bekomm's!" einhergehe und im Abnehmerkreis verankert sei.

Auch Bürger haben vereinzelt durch Schreiben an das Gericht ihre Meinung zum Verfahrensgegenstand kundgetan.

Das LG hat dem Antrag stattgegeben und deshalb ausgesprochen (hinsichtlich der Bestandteil des Tenors bildenden Anlagen wird auf jenes Urteil verwiesen, vorliegend werden aus Gründen der Vereinfachung nur jene Werbepassagen eingeblendet, in denen sich der Begriff "bekömmlich" unmittelbar wiederfindet).

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordn...

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