Leitsatz (amtlich)

1. Allein eine Sicherungsübereignung eines Fahrzeuges entzieht dem Käufer weder die Aktivlegitimation für Gewährleistungsansprüche noch führt sie zum Verlust des Rücktrittsrechts noch hat sie zur Folge, dass sich der Käufer im Rahmen der Abrechnung nach einem Rücktritt einen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB anstelle der Fahrzeugrückgabe anrechnen lassen müsste.

2. Zu den (beschränkten) Möglichkeiten einer Beweisführung, dass elektronische Bauteile keinen Fehler aufweisen.

3. Kommt in Betracht, dass der Mangel eines Kraftfahrzeugs auf dem Defekt eines elekt-ronischen Bauteils beruht, so kann wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 406, 42 ZPO) i.d.R. weder der Hersteller noch einer seiner Mitarbeiter vom Gericht als Sachverständiger bestellt werden. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass der Rechtsträger des Herstellers als Folge von Verkäufen mehrfach gewechselt hat.

4. Die unmotivierte und unzutreffende Anzeige "Bremsflüssigkeitstand zu niedrig" stellt selbst dann einen erheblichen Mangel eines Kraftfahrzeuges dar, wenn die Reparaturkosten nur 1,29 % des Fahrzeugneuwertes betragen.

5. Eine Nachbesserung ist auch dann fehlgeschlagen i.S.d. § 440 S. 2 BGB, wenn bei den beiden Versuchen unterschiedliche Bauteile des Kaufgegenstands ausgetauscht wur-den. Es ist nur erforderlich, dass beide Versuche zur Behebung desselben Symptoms unternommen wurden.

6. Auch bei Fahrzeugen der Kleinwagen- und unteren Mittelklasse aus französischer Produktion ist - selbst wenn es sich um Cabrio-Fahrzeuge handelt - im Rahmen der Berechnung der gezogenen Nutzungen nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB von mind. 180.000 km als Gesamtfahrleistung auszugehen. Sollte der Hersteller von einer geringeren Laufleistung ausgehen, so läge ohne besonderen Hinweis hierauf ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 27.11.2008; Aktenzeichen 12 O 430/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 27.11.2008 (12 O 430/07) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 19.000 EUR

 

Gründe

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Neufahrzeug.

A.I. Die Klägerin, eine GmbH, bestellte bei der Beklagten, einer offiziellen ...-Vertragspartnerin, am 16.4.2005 ein Neufahrzeug ... zum Preis von 22.550 EUR. Das Fahrzeug ist mit Dieselmotor und versenkbarem Stahlklappdach ausgerüstet. In Höhe von 2.000 EUR bezahlte sie den Kaufpreis durch Inzahlunggabe eines Altfahrzeuges. Den Rest finanzierte sie bei einer Bank, der sie das Neufahrzeug zur Sicherheit übereignete. Das Fahrzeug wurde am 25.6.2005 ausgeliefert.

Anlässlich eines Werkstattaufenthalts am 23.2.2007 tauschte die Beklagte auf die Mitteilung der Klägerin hin, dass die Warnleuchte für Bremsflüssigkeit aufgeleuchtet habe, den Bremsflüssigkeitsbehälter aus. Auf ein abermaliges Monieren desselben Symptoms durch die Klägerin ersetzte die Beklagte am 7.5.2007 darüber hinaus auch den Hauptbremszylinder und den Bremskraftverstärker des Fahrzeuges. Als die Fahrzeugnutzerin am 18.6.2007 erneut das Aufleuchten der Warnleuchte für Bremsflüssigkeit monierte, kam es zu Missstimmigkeiten zwischen ihr und der Beklagten. Die Fahrzeugnutzerin erklärte daraufhin nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Klägerin mündlich die Wandlung des Kaufvertrags. Die Beklagte lehnte dies nach eingehender Überprüfung des Fahrzeuges ab.

II. Wegen des streitigen Vorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG verwiesen.

III. Das LG hat der Klage weitgehend stattgegeben. Soweit in der Berufung noch von Interesse, hat es ausgeführt, dass die Klägerin trotz Sicherungsübereignung des Fahrzeugs an die finanzierende Bank aktivlegitimiert sei. Das Fahrzeug sei i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB mangelhaft. Denn durch die Aussage der Nutzerin des Fahrzeugs als glaubwürdiger Zeugin sei bewiesen, dass auf dem Display des Fahrzeugs in immer kürzer werdenden Intervallen die Warnmeldung "Bremsflüssigkeit zu niedrig" angezeigt worden sei, obwohl dieser Zustand unstreitig nicht gegeben gewesen sei. Aufgrund des von ihm eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens sei es davon überzeugt, dass die Fehlfunktion auf einen Defekt des BSI-Steuergeräts zurückzuführen sei. Der Mangel sei erheblich, da nach den Hauptuntersuchungsrichtlinien seinetwegen die Plakette nicht erteilt werde. Dass er bereits bei Gefahrübergang vorgelegen habe, ergebe sich daraus, dass das BSI-Steuergerät auf die Gesamtlebensdauer des Fahrzeuges angelegt sei. Auch die formalen Rücktrittsvoraussetzungen lägen vor. Im Rahmen der Rückabwicklung seien der Kaufpreis und die Aufwendungen für die Zulassung und Abmeldung des Fahrzeugs einerseits und die gezogenen Nutzungen andererseits zu verrechnen. Letztere seien aus einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 180.000 km zu errechnen, da es sich ...

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