Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 21.02.2019; Aktenzeichen 6 O 295/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.08.2020; Aktenzeichen II ZR 174/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21.02.2019, Az. 6 O 295/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ravensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert: 20.500,00 EUR

 

Gründe

I. 1. Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von der Beklagten Zahlung einer restlichen Einlageforderung; die Beklagte begehrt ihrerseits Rückzahlung der teilweise bereits geleisteten Einlage.

Die Beklagte beteiligte sich am 16.10.2006 mit Wirkung zum 01.11.2006 als Gesellschafterin an der X GbR (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), einem geschlossenen Immobilienfonds (s. die Beitrittserklärung, Anlage K 1). Ihr Gesellschaftsanteil wurde ausweislich des dem Anlageprospekt (Anl. K 2) beigefügten Treuhandvertrages treuhänderisch von einer Frau Ass. jur. G. gehalten. Die Beteiligungssumme wurde auf 20.000 EUR festgelegt, zahlbar in monatlichen Raten von je 107 EUR ab November 2006. Zudem war noch ein Agio von 600 EUR zu zahlen. Parallel zu der Zeichnung der Beteiligung schloss die Beklagte auf Betreiben des die Anlage vermittelnden Anlageberaters noch eine "Zusatzvereinbarung" ab (Anl. B 5).

Dort heißt es insbesondere:

"Über die Höhe der einbezahlten Beiträge kann ab dem 5. Jahr mit einem schriftlichen Antrag bis zu sechs Wochen zum Quartalsende wie folgt verfügt werden, sofern die Beiträge und das Agio wie vereinbart entrichtet wurden.

ab dem beginnenden 5. Jahr: 40% der einbezahlten Beiträge

ab dem beginnenden 10. Jahr: 45% der einbezahlten Beiträge

ab dem beginnenden 15. Jahr: 55% der einbezahlten Beiträge"

Die Beklagte zahlte vereinbarungsgemäß ihre monatlichen Raten auf die Einlageforderung vom November 2006 bis Mai 2015. Auf diese Weise wurde ein Gesamtbetrag von 10.421,00 EUR zuzüglich des Agios von 600 EUR gezahlt.

Bereits am 12.08.2014 hatte die BaFin eine gegen die Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin, die X GmbH (im Folgenden: X GmbH) gerichtete Abwicklungsanordnung gemäß § 37 Abs. 1 KWG erlassen. Der X GmbH wurde u.a. aufgegeben, "das auf der Grundlage von Darlehensverträgen und Zusatzvereinbarungen von den durch Sie als Geschäftsführerin vertretenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts ... [u.a. die Insolvenzschuldnerin] durch die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums betriebene Einlagengeschäft unverzüglich durch vollständige Rückzahlung aller mit Rückzahlungsversprechen angenommenen Gelder abzuwickeln".

Hintergrund der Abwicklungsanordnung bezüglich der "Zusatzvereinbarungen" war die Rechtsauffassung der BaFin, wonach diese Zusatzvereinbarungen dazu führten, dass die Einlagen, soweit über sie "verfügt" werden könne, "unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums" darstellten. Damit ging die BaFin davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin insoweit ein Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG ohne die nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erforderliche Erlaubnis betreiben würde.

Mit Beschluss vom 07.08.2015 eröffnete das Amtsgericht Neu-Ulm das Insolvenzverfahren über die Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Die vorhandene Insolvenzmasse reicht nicht aus, um offene Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten zu befriedigen. Ansprüche der Beklagten sind im Insolvenzverfahren nicht angemeldet worden.

Am 12.04.2018 forderte der Kläger die Beklagten vergeblich zur Zahlung eines Teilbetrags der noch offenen restlichen Einlageforderung auf, wobei er zugleich einen Verjährungsverzicht verlangte (Anl. K 7).

Mit Schreiben vom 26.04.2018 kündigte die Beklagte ihre Beteiligung an der Gesellschaft (Anl. K 8).

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.479,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte hat zudem Widerklage mit folgenden Anträgen erhoben:

1. Die Klägerin [richtig: der Kläger] wird verurteilt, an die Beklagte 11.021,00 EUR zuzüglich 5%-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin [des Klägers] gemäß Ziff. 3 aus unerlaubter Handlung herrührt.

Aufgrund der Kündigung der Gesellschaftsbeteiligung bestünden gegen die Beklagte keine Ansprüche mehr.

Es habe sich um ein unerlaubtes Einlagengeschäft gehandelt, was der Beklagten verschwiegen wo...

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