Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 29.09.2003; Aktenzeichen 1 O 75/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Hechingen vom 29.9.2003 (1 O 75/03) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages, es sei denn, die Beklagte leistet vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.

Streitwert der Berufung: 55.555 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht einen Anspruch gem. § 661a BGB aus Gewinnzusage geltend.

Die Klägerin erhielt Anfang Januar 2002 von der Beklagten, einer gewerblich tätigen juristischen Person, eine Werbesendung, welche sie zum Kauf von Waren animieren sollte. Beigefügt war der Sendung ein an die Klägerin persönlich gerichtetes Schreiben mit der Überschrift "LETZTER AUSZAHLUNGS-VERSUCH". Das Schreiben beginnt vor dem eigentlichen Text mit einer Tabelle, die u.a. folgende Angaben enthält: "Gewinner: T S/Gewinnsumme: 55.555, Euro".

Im Text des Anschreibens heißt es dann weiter u.a.:

"Ich wollte Sie nämlich auf schnellstem Wege über Ihren Bargeld-Gewinn informieren! Euro 55.555 kommen zur Auszahlung!"

"... mitteilen, dass Sie BARES GELD gewonnen haben. BARES GELD, das Ihnen garantiert niemand wegnehmen kann, wenn Sie die Einsendefrist beachten ..."

"Außerdem muss ich Sie nochmals ganz eindringlich auf die Einsendefrist hinweisen: Freitag, den 18.1.2002!"

Beigefügt war auch die Abbildung eines ausgefüllten Eurocheques über 55.555 Euro mit dem - nach Art einer Handschrift versehenen - Zusatz: "Hier ist der Beweis! Frau S, Sie sind bestätigter Bargeld-Gewinner, 55.555 Euro werden ausgezahlt!"

Dieses Schreiben wurde von der Beklagten massenhaft hergestellt und an eine Vielzahl von Empfängern versandt.

Die Klägerin begehrt die Auszahlung der "zugesagten" 55.555 Euro, welche die Beklagte verweigert. Die Klägerin forderte den Gewinn bei der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 31.1.2002 an.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 55.555 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 15.2.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte trägt vor, der Sendung sei ein sog. "AUSZAHLUNGS-AUFTRAG" beigefügt gewesen. Dieses Papier nebst Rücksendeumschlag sei von ihr in dem Massenverfahren allen Anschreiben beigefügt worden; wenn die Klägerin behaupte, gerade sie habe es nicht bekommen, sei das unglaubwürdig. Da die Klägerin den Auftrag nicht unterschrieben zurückgesandt habe, habe sie die Teilnahmebedingungen nicht erfüllt und schon allein deswegen keinen Anspruch. Darauf komme es letztlich aber nicht an, weil sie der Klägerin gar keine Gewinnzusage gemacht habe. Die Empfänger solcher Schreiben müssten diese vollständig lesen, nur der Gesamtinhalt - nicht aber ein aus dem Zusammenhang gerissener Satz - könne darüber entscheiden, ob es sich um eine Gewinnzusage handele. Auf der Rückseite des Auftragsformulars stehe unter der Überschrift "IHRE GARANTIE/KAUF AUF PROBE" im zweiten Absatz, dass es sich nicht um eine Gewinnzusage, sondern um die Teilnahme an einem Gewinnspiel handele. Die 55.555 Euro würden gleichmäßig unter allen Teilnehmern verteilt; sollten allerdings auf jeden einzelnen Teilnehmer weniger als 1,50 Euro entfallen, werde gar kein "Gewinn" verteilt. Daraus sei für jeden verständigen Leser ersichtlich, dass keiner der Empfänger des Schreibens 55.555 Euro gewonnen habe. Die Rücksendung der unterschriebenen Auftragserteilung habe den Zweck, dass der Empfänger bestätige, genau dies gelesen und verstanden zu haben.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Das LG hat der Klage stattgegeben, weil es sich um eine Gewinnzusage i.S.d. § 661a BGB handele und eine solche nicht von einer Bedingung (fristgerechten Rückmeldung) abhängig gemacht werden könne.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie im Wesentlichen auf die Argumente aus der ersten Instanz stützt. Insbesondere rügt sie, dass das LG verkannt habe, dass es sich nur um die Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel und nicht um eine Gewinnzusage gehandelt habe. Außerdem legt sie Wert auf die Feststellung, dass die Klägerin die Frist versäumt habe.

Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ein oder zwei Tage nach Erhalt der Gewinnmitteilung - also vor dem 18.1.2002 - bei der deutschen Kontaktadresse der Beklagten angerufen, um sich nach dem Gewinn zu erkundigen. Ihr sei telefonisch zugesichert worden, dass das Geld bereit liege und sie nur ein Konto eröffnen müsse, auf welches das Geld überwiesen...

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