Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 16.09.1999; Aktenzeichen 17 O 353/99)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.03.2000; Aktenzeichen VI ZB 31/99)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16.09.1999 wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Gegen die Entscheidung wird die weitere Beschwerde zugelassen.

Beschwerdewert: 10.000,– DM.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 16. September 1999, durch den der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt wurde, da eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 13 GVG vorliege und eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG nicht gegeben sei.

Der Kläger, ein Berufsverband von privaten Rettungsdienst- und Krankentransportunternehmen, nimmt die beklagte Gewerkschaft auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch. Die stellvertretende Landesvorsitzende der Beklagten äußerte sich auf einer Demonstration von etwa 200 Rettungsassistenten und Rettungssanitätern aus Baden-Württemberg am 1. Dezember 1998 vor dem Gebäude des Sozialministeriums Baden-Württemberg gegen die zum 1. Januar 1999 in Kraft tretende Neufassung des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg vom 16. Juli 1998 (GBl. S. 437) unstreitig u. a. wie folgt:

„Da sitzt qualifiziertes Personal in der Rettungwache fest, während die Privaten sich die Rosinen im Krankentransport aus dem Kuchen picken.”

Hintergrund dieser Äußerung der stellvertretenden Landesvorsitzenden der Beklagten ist der Umstand, daß seit der Novellierung des Rettungsdienstegesetzes auch private Unternehmer zum Krankentransport zugelassen werden, während die Aufgaben der Notfallrettung bei den in § 2 des Rettungsdienstegesetzes genannten Trägern verbleiben. Die Beklagte, die nach eigenen Angaben etwa 2.500 Beschäftigte in Baden-Württembergischen Rettungsdiensten repräsentiert, befürchtet wegen der hohen Vorhaltekosten für Notfalleinsätze eine nachteilige Wettbewerbssituation im Verhältnis zur privaten Krankentransportunternehmen und wegen des hierdurch ausgelösten Kostendrucks eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den der Beklagten am 18. September 1999 zugestellten Beschluß ist nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG zulässig, insbesondere ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt (§ 577 Abs. 2 ZPO).

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Jedoch keinen Erfolg, da eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG im konkreten Fall nicht vorliegt. Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, weder um eine unerlaubte Handlung im Rahmen von Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs noch um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Beklagten als tariffähige Vereinigung.

1.

Der Begriff der unerlaubten Handlung wird zwar weit definiert; darunter sind auch Unterlassungs- und Widerrufsansprüche wegen ehrverletzender Behauptungen zu fassen (Grunsky § 2 ArbGG Rn. 67; Germelmann-Matthes-Prütting § 2 ArbGG Rn. 34; Schaub in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 2 ArbGG Rn. 17). Allerdings muß die unerlaubte Handlung zum Zwecke des Arbeitskampfs vorgenommen worden sein, was hier nicht der Fall war. Im Ausgangspunkt kann hierbei die nicht einheitlich beantwortete Frage, ob neben herkömmlichen Formen des Arbeitskampfs wie Protestdemonstrationen, Warnstreiks, Sympathiestreiks, kollektiver Arbeitsniederlegung, wilder Streiks o.ä. auch sogenannte politische Streiks, mit denen Druck auf die Regierung ausgeübt werden soll, unter den Begriff des Arbeitskampfs fallen (so Grunsky § 2 ArbGG Rn. 69; Germelmann-Matthes-Prütting § 2 ArbGG Rn: 36; anders BGHZ 14, 347 = NJW 1954, 1804; Stein-Jonas-Schumann § 1 ZPO Rn. 153), letztlich offenbleiben. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut muß ein finaler Zusammenhang zwischen der streitgegenständlichen Verhaltensweise und der damit verfolgten Zielrichtung bestehen (vgl. auch Kissel § 13 GVG Rn. 143; Schaub in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht § 2 ArbGG Rn. 17; Grunsky § 2 ArbGG Rn. 69; Handlungen anläßlich eines Arbeitskampfs genügen nicht); dies folgt auch aus dem vom Gesetzgeber bewußt gewählten Begriffspaar „Zweck” beim Arbeitskampf einerseits und dem bloßen „Zusammenhang” mit dem Betätigungsrecht der tariffähigen Vereinigung andererseits (dazu näher unten 2.). Zweck der Protestdemonstration war nach dem eigenen Vortrag der Beklagten eine Einwirkung auf die Regierung und die gesetzgebenden Organe mit der Zielsetzung, eine Gesetzesänderung herbeizuführen; anschließend habe man sich zur Hauptverwaltung der Beklagten begeben, um der Tarifkommission für die Verhandlungen mit den Arbeitgebern des … … (das nicht Mitglied des Klägers ist) den R...

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